Interview • 18.05.2015
„Gerade der deutsche eCommerce ist stark vom Ökosystem beeinflusst“
Interview mit Hagen Meischner, Country Manager Deutschland bei PrestaShop
Ein Online-Shop aufzubauen muss heute nicht mehr teuer und kompliziert sein. Wie in anderen IT-Bereichen gibt es auch hier längst kostenlose Open Source-Tools. Aber geht die Ersparnis nicht zwangsläufig zu Lasten der Qualität? Hagen Meischner, Country Manager Deutschland beim Open Source-Softwareanbieter PrestaShop, kennt Vor- und Nachteile.Herr Meischner, was sind die konkreten Vorteile einer Open Source Onlineshop-Lösung für den Händler?
Das Prinzip Open Source wird oft auf die kostenlose Verfügbarkeit reduziert. Dabei ist das bei weitem nicht der einzige Vorteil, den eine solche Lösung dem Händler bietet. Aber da die Software kostenlos erhältlich ist, kann sich eine Open Source-Lösung schnell auf der ganzen Welt verbreiten, da die finanzielle Hürde für den Einstieg in den Online-Handel nicht mehr existiert. Außerdem arbeitet die internationale Nutzer-Community getreu dem Open Source-Prinzip konstant an der Weiterentwicklung und vor allem der Lokalisierung des Systems mit.
Aktuell nutzen um die 230.000 Händler in 160 Ländern auf der ganzen Welt PrestaShop. Jedes dieser Länder hat natürlich seine ganz eigenen Anforderungen, was die rechtlichen Rahmenbedingungen, Zahlarten, etc. betrifft. Da die Community – insgesamt sind es über 700.000 Mitglieder – in den einzelnen Ländern selbst dabei mithilft, die Lösung an die speziellen Herausforderungen auf dem jeweiligen Markt anzupassen, gibt es nach relativ kurzer Zeit bereits eine landesspezifische Version der Software. Es wäre also falsch, das Prinzip Open Source auf die „Kostenlos-Mentalität“ zu reduzieren. Vielmehr ergibt sich aus der enorm großen Community ein immenses Potential für die Weiterentwicklung des Shop-Systems.
Welche Features machen ein solches System besonders attraktiv für Händler?
Ein Open Source-Shopsystem eignet sich auch für Händler, die in verschiedenen Märkten aktiv sind. Es ist mehrsprachig und mehrwährungsfähig, gleichzeitig besteht eine Anbindung zu einer Vielzahl regionaler Anbieter. Auch kleine Spezialhändler benötigen heute eine Shoplösung, mit der sie weltweit verkaufen können, da die größte Nachfrage nach ihren Produkten nicht unbedingt im lokalen Markt besteht. Außerdem ist das System natürlich responsive, die Shops können also auf mobilen Geräten und Desktopcomputern mit jeweils angepasster Oberfläche abgerufen werden. Alle diese Features werden durch die Mitarbeit der Community besonders schnell und genau realisiert – schließlich hat jeder Händler ein Interesse daran, die für ihn und seinen Zielmarkt ideale Lösung zu finden.
PrestaShop wird aber nicht nur durch die Nutzer weiterentwickelt, als Unternehmen arbeiten Sie auch mit verschiedenen Partnern und Agenturen zusammen. Wie tragen diese zur Entwicklung der Lösung bei?
Hierzu muss man wissen, dass gerade der deutsche eCommerce stark vom Ökosystem getrieben ist. Das Shopsystem selbst ist zwar das zentrale System für den Verkauf an den Endkunden – es gibt aber eine große Anzahl von Systemen, die im Hintergrund laufen. Auch diese müssen natürlich effektiv zusammenarbeiten, damit ein Shop erfolgreich betrieben werden kann. Dazu gehören die Payment-Anbieter, Logistiker, Agenturen, ERP- und Onlinemarketing-Systeme. Daher ist es für uns wichtig, ein umfangreiches Netzwerk an Agenturen und Partnern zu unterhalten. So stellen wir sicher, das PrestaShop mit allen Hintergrundsystemen zusammenarbeiten kann. Hierbei arbeiten wir sowohl mit lokalen, als auch mit weltweit aktiven Anbietern zusammen, denn jeder Händler möchte natürlich eine für seinen Markt angepasste Software. Gleichzeitig muss er aber auch globale Payment-Lösungen wie zum Beispiel PayPal unterstützen.
Gerade haben wir zwei neue Partner gewonnen. Das ist zum einen die Online-Agentur BuI Hinsche, die auch aus dem Open Source-Bereich kommt. Sie entwickelt Module für verschiedene Shopsysteme. Zusammen mit der Agentur können wir das Angebot an Drittsystemanbindungen für PrestaShop signifikant erhöhen. So entwickelt Bul Hinsche gerade eine Schnittstelle zur Multichannel-Plattform Afterbuy und ein Migrationstool von diversen Shopsystemen hin zu PrestaShop. Ein weiterer neuer Partner ist der ERP-Hersteller Actindo, mit dem wir eng zusammenarbeiten. Durch diese Partnerschaft können PrestaShop-Nutzer ein cloudbasiertes ERP-System über eine kostenfreie Schnittstelle nutzen. Alle unsere Partnerschaften haben das Ziel, unser System zukunftssicher zu gestalten. Daher legen wir besonderen Wert darauf, dass unsere Nutzer auch aktuelle Omnichannel-Anwendungen realisieren können.
Stichwort Omnichannel: Wie unterstützt PrestaShop die Verbindung von eCommerce und dem stationären Handel?
Das ist natürlich aktuell eins der wichtigsten Branchenthemen. Besonders kleinen stationären Händlern wird im Moment bewusst, dass auch sie von einem Onlineshop profitieren können. Insofern ist es für uns natürlich wichtig, auch die entsprechenden Schnittstellen zu den bestehenden Ökosystemen aus POS-Systemen oder der auf den stationären Handel ausgerichteten Warenwirtschaft zu schaffen.
Hier gibt es natürlich einige vielversprechende Ansätze, die wir auch in unsere Lösung einbinden können. Ein Beispiel wären webbasierte Kassensysteme, die sowohl dem stationären Handel als auch dem Onlineshop zur Verfügung stehen – sozusagen als Gesamtsystem. Gerade für kleine Händler bietet es natürlich immense Vorteile, wenn eine Lösung wie PrestaShop dies ermöglicht. Das Thema wird immer wichtiger, daher steht es für uns bei der Weiterentwicklung unseres Angebots auch ganz oben auf der Agenda und wir werden in Zukunft auch mit POS-Herstellern zusammenarbeiten, um die entsprechenden Lösungen zu realisieren.
Interview: Daniel Stöter, iXtenso.com
Themenkanäle: Online-Handel, E-Commerce, Softwareapplikationen, Softwaremanagement, Softwareentwicklung, Shop-Systeme