Bericht • 26.06.2020

Instore Farming: Wenn die Petersilie im Supermarkt wächst

Lebensmittel lokal produzieren und kaufen

Globalisierung bedeutet unter anderem, dass Verbraucher jedes Produkt von überall herbekommen können. Ein Salatkopf kann auf seinem Weg vom Herstellungsort in den Supermarkt schon mehr Kilometer hinter sich gebracht haben als so manche Salatliebhaber, die in den Sommerurlaub fliegen. Das mag nicht nur aus ökologischen Gründen kein Zukunftskonzept sein – es ist inzwischen auch nicht mehr das, was viele Verbraucher wollen. Im Kleinen gibt es dafür erste Ansätze zur Lösung.

Ein Gewächshaus mit vertikalen Schienen, an denen Pflanzen wachsen...
Quelle: PantherMedia/Phillip Minnis

Wo kommt mein Essen her und wie wird es produziert?

Vielleicht hat es mit ‚Urban Gardening‘ angefangen: Stadtbewohner haben gemerkt, dass sie auf die Vorteile des Landlebens – Gärten, Gemüsebeete, frische grüne Lebensmittel – auch in Großstädten zwischen all dem Asphalt und Beton nicht verzichten wollen und haben an Straßenrändern, in Hinterhöfen und auf Dächern gepflanzt. Zum einen wächst das Bewusstsein für Themen wie Lokalität, Lebensmittelqualität, Nachhaltigkeit und Umweltschutz unter Konsumenten. Immer mehr Kunden wollen wissen: Unter welchen Bedingungen werden die Lebensmittel hergestellt, die ich verwende? Und wie weit und wie lange ist mein Essen unterwegs, bevor es auf meinem Teller landet? Zum anderen steigt die Herausforderung, eine wachsende Weltbevölkerung und urbanisierte Gesellschaften mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen. Neue Konzepte wie selbstversorgende Städte werden unter diesen Bedingungen von Visionen zu Notwendigkeiten.

Vertical Farming: Die Landwirtschaft will hoch hinaus

Aus dieser Situation heraus entwickeln sich auch in der Landwirtschaft neue Konzepte. Was tut man, wenn die Fläche für den Anbau von landwirtschaftlichen Produkten begrenzt ist, der Bedarf aber steigt? Richtig, man baut nicht mehr traditionell horizontal an, sondern vertikal. Dank ‚Vertical Farming‘ lässt sich in übereinander stapelbaren ‚Beeten‘ auf vergleichsweise kleiner Fläche mehr produzieren.

Dabei kommt die Hydroponik zum Einsatz: Statt in Erde werden die Wurzeln der Pflanzen in kleine, mit Nährstoffen angereicherte Wasserströme gesteckt. Mithilfe von LED-Technologie ist die künstliche Beleuchtung effizient gestaltet. Die Pflanzen erhalten alles, was sie zum Gedeihen brauchen.

Beim ‚Indoor Farming‘ kommt noch hinzu, dass Umweltfaktoren wie Temperatur, Licht und Feuchtigkeit kontrollierbar sind. Ein geringerer Verbrauch von Rohstoffen und weniger Bedarf an Pestiziden sind positive Folgen.

In einigen großen Städten lassen sich nun Firmen nieder, die diese beiden Systeme verbinden: Sie bauen in Lagerhäusern oder Containern mitten in der Stadt Nutzpflanzen an und beliefern damit Supermärkte, Lebensmittelgeschäfte und Restaurants. Im Sinne des Kundenmarketing können Einzelhändler noch einen Schritt weitergehen und frische Lebensmittel, die sie verkaufen, im Laden produzieren (oder produzieren lassen).

„Je länger es dauert, bis Lebensmittel vom Landwirt zum Konsumenten kommen, desto mehr Lebensmittelverschwendung fällt an.“ (Jennifer Kaplan, Culinary Institute of America, Kalifornien)
Ein Gewächsschrank mit mehreren Ebenen und Glastüren...
Infarm wurde 2013 in Berlin gegründet. Die Gründer entwickelten ein intelligentes, modulares Farm-System, dessen Farm-Module in der städtischen Umgebung verteilt werden können und dort den Anbau frischer Produkte ermöglichen. Das Infarm-Netzwerk besteht aus mehr als 700 modularen Farmen in mehreren europäischen Ländern sowie in Japan, Kanada und den Vereinigten Staaten.
Quelle: Infarm

Einzelhändler als Gemüsebauern

Was Firmen wie Infarm bieten, bringt die vertikale Landwirtschaft nicht nur in die Stadt, sondern auch direkt ins Geschäft. Infarm aus Berlin vermietet modulare vertikale Farmen, also kleine Indoor-Gewächshäuser, an Unternehmen. In diesen Indoor-Farmen können Kräuter-, Kohl- und Salatpflanzen direkt am Point of Sale gezüchtet und somit erntefrisch an Kunden verkauft werden. Osnat Michaeli, Mitgründerin und Chief Brand Officer bei Infarm nennt das „Farming as a Service“.

Die Farm-Module von Infarm sind mit einer Cloud-basierten Anbauplattform verbunden, über die sich Umgebungswerte im Modul auslesen und auswerten lassen. Sensoren messen Faktoren wie Feuchtigkeit, Kohlenstoffdioxidgehalt oder Lichtintensität. Infarm-Mitarbeiter können diese dann aus der Ferne optimal aussteuern und das Pflanzenwachstum überwachen. Geerntet und neu gepflanzt werden die Produkte ebenfalls von Infarm-Angestellten vor Ort. „Eine Infarm-Einheit braucht weniger als zwei Quadratmeter Fläche. Die Infarm-Technologie ist also speziell darauf ausgelegt, überall, in jedem verfügbaren Raum eingesetzt werden zu können“, erklärt Michaeli.

Werden frische Waren so praktisch vor den Augen der Verbraucher produziert, ist verständlich, wenn sie den Produktionsprozess als transparenter erleben und dadurch mehr Vertrauen in das Produkt entwickeln. Darauf hoffen Händler, die diese Technologie einsetzen.

Eine Grafik von einem Supermarkt, in dem ein Gewächshausmodul mit frischen...
Quelle: Unternehmensgruppe ALDI SÜD

In Deutschland hat sich unter anderem ALDI Süd für diese Lösung entschieden. Bis Ende 2020 sollen zwölf Filialen mit den Infarm-Farmen ausgestattet sein. Auch in anderen Ländern breitet sich dieses Angebot aus. Marks & Spencer hat mehrere Geschäfte in London mit Infarm-Modulen ausgestattet. Joe Erskine, Store Manager der M&S Food-Filiale Clapham Junction, dem ersten Teststandort für Instore Farming, rekapituliert: „Unsere Farming-Einheit wurde zum absoluten Gesprächsthema, seit wir im September wiedereröffnet haben, und sie hilft, die Wahrnehmung von M&S Food in der Umgebung zu wandeln. Die Farm bringt ein Gefühl echter Frische in unser Warenangebot und Kunden haben sich auch sehr für die Nachhaltigkeitseffekte interessiert.“ Director of food technology von M&S Food, Paul Willgoss, erklärt die Beweggründe in einem Interview mit dem European Supermarket Magazine: „Wir sind Teil einer komplexen globalen Lebensmittelkette und wollen verstehen, welche aufkommenden Technologien helfen können, nachhaltigere Lösungen zu finden.“

In den USA arbeitet der Landwirtschaftsbetrieb Altius Farms in Denver, der ebenfalls hydroponisch und vertikal anbaut, eng mit lokalen Händlern und Gastronomen zusammen. Er beliefert seine Partner mit frischen Agrarprodukten und führt mit ihnen gemeinsam Promotion-Aktionen wie Verkostungen im Store durch. „Mit kleinen Lebensmittelhändlern funktioniert die Zusammenarbeit wunderbar, sie sind echte Partner für unsere Vorhaben“, sagt Sally Herbert, Altius Farms Mitgründerin und CEO. „Immer, wenn wir samstags eine Vorführung im Lebensmittelhandel veranstalten, merken wir einen Anstieg der Verkäufe.“

Screenshot eines Instagramkanals mit einem Video, Startbild ist ein gemischter...
Quelle: Screenshot des Instagramkanals von Marczyk Fine Foods
„Das bringt das Produkt auf eine persönlichere Weise an den Kunden.“ (Sally Herbert, Altius Farms)

Und auch über soziale Medien lässt sich ein solches Projekt gut vermarkten. Partner von Altius Farms verknüpfen das beispielsweise mit Rezeptideen und Zubereitungstipps für einzelne Produkte.

Autor: Julia Pott

Weitere Beiträge zum Thema:

Beliebte Beiträge:

Thumbnail-Foto: Digitales Etikett – Unverpackt neu gedacht
15.03.2023   #stationärer Einzelhandel #Kassensysteme

Digitales Etikett – Unverpackt neu gedacht

TareTag ermöglicht es, Produktinformationen auch bei selbst mitgebrachten Behältnissen angezeigt zu bekommen

Unverpackt-Läden bieten ihren Kund*innen die Möglichkeit, Produkte in selbst mitgebrachten Gefäßen zu kaufen und dadurch Verpackungsmüll zu vermeiden. Doch viele Informationen, die Kund*innen auch zuhause noch ...

Thumbnail-Foto: Handelsmarken Forum
15.01.2023   #Handel #Personalmanagement

Handelsmarken Forum

06.02.2023 - 07.02.2023 | Köln

Private Label: lokal! digital! genial!Die Corona-Pandemie hat die (Handels-)Welt auf den Kopf gestellt. Hinter uns liegen Ausnahmejahre, von denen vor allem der Handel betroffen war und immer noch ist. Die Pandemie hat Schwachstellen aufgezeigt und ...

Thumbnail-Foto: Lesen und genießen: Hussel und arko testen Buchangebote in Filialen...
12.12.2022   #Lebensmitteleinzelhandel #Kundenerlebnis

Lesen und genießen: Hussel und arko testen Buchangebote in Filialen

Kooperation zwischen BuchPartner und Süßwarengeschäften zunächst in Hamburg, Münster und Bochum

Wintergenuss pur. Die Kund*innen von Hussel und arko können in drei Filialen künftig auch Bücher kaufen. Dies geht auf die kürzlich geschlossene Kooperation zwischen der Zeitfracht Gruppe, Hussel und arko zurück. ...

Thumbnail-Foto: Kundenbindung durch Werbeartikel stärken – diese Tipps müsst ihr...
27.03.2023   #E-Commerce #stationärer Einzelhandel

Kundenbindung durch Werbeartikel stärken – diese Tipps müsst ihr kennen

Qualitativ, praktisch, außergewöhnlich – warum Unternehmen bei Werbeartikeln nicht sparen sollten

Unternehmen haben zwei essenzielle Ziele: Neukundenakquise und Erhalt der Bestandskundschaft. Die größte Herausforderung ist die Konkurrenz. Ganz besonders im Bereich E-Commerce, aber auch im stationären Kundenkontakt braucht es ...

Thumbnail-Foto: Die Retail Revolution bei POS TUNING
27.02.2023   #Logistik #Displays

Die Retail Revolution bei POS TUNING

Interview mit Oliver Voßhenrich

„Be part of the Retail Revolution!” – dazu fordert POS TUNING auf der EuroShop 2023 auf. Diese Revolution soll den stationären Handel fitter im Vergleich zum Onlinehandel machen. Was das bedeutet, erklärt uns Oliver ...

Thumbnail-Foto: e-Commerce Day
20.03.2023   #Online-Handel #E-Commerce

e-Commerce Day

05.05.2023 - 05.05.2023 | Köln

e-Commerce Day by Kaufland – Die Fachmesse für den E-CommerceDer e-Commerce Day by Kaufland öffnet wieder seine Pforten und lädt Branchenneulinge, Fachprofis und Interessierte nach Köln zum Austausch über aktuelle ...

Thumbnail-Foto: SEC Consult: Bedenkliche Mängel bei elektronischen Preisschildern...
27.03.2023   #stationärer Einzelhandel #Sicherheit

SEC Consult: Bedenkliche Mängel bei elektronischen Preisschildern

Die Risiken von elektronischen Regaletiketten für Einzelhandel und kritische Infrastrukturen

Elektronische Etiketten und Regalbeschilderungen, sogenannte ESL-Tags, kommen immer häufiger zum Einsatz. Ob im Supermarktregal, im Krankenhauslager oder in Gerichtsarchiven – die digitale Beschilderung erfreut sich aufgrund ihrer ...

Thumbnail-Foto: E-Commerce: Mit digitalem Spezialitätenladen zum Erfolg?...
16.01.2023   #Online-Handel #E-Commerce

E-Commerce: Mit digitalem Spezialitätenladen zum Erfolg?

Drei kleine Händler*innen zeigen, wie sie online mit außergewöhnlichen Produkten Erfolge feiern

Im deutschen Einzelhandel ist die Digitalisierung nie flächendeckend angekommen. Gerade viele kleinere Händler*innen besitzen immer noch keinen Onlineshop. Auf der anderen Seite gibt es Händler, die aufzeigen, wie man – selbst ...

Thumbnail-Foto: Dimension Expo + Event Marketing auf der EuroShop 2023...
06.02.2023   #Nachhaltigkeit #Veranstaltung

Dimension Expo + Event Marketing auf der EuroShop 2023

Größte Leistungsschau und Ideenbörse für Messebau, Design, Event- und Livemarketing

135 internationale Aussteller in der Dimension Expo und Event Marketing – Vorträge rund um Markenerlebnisse, innovative Formate und crossmediale Vernetzung auf der Expo. Neues Special zum Thema Nachhaltigkeit. Exhibitor Magazine (USA) ...

Thumbnail-Foto: Takko Fashion launcht Onlineshop in neuem Look...
14.12.2022   #Online-Handel #E-Commerce

Takko Fashion launcht Onlineshop in neuem Look

Onlineshop in modernem Design und optimierten Storytelling bietet abwechslungsreiche Fashion-Inspiration für Kund*innen

Stylischer und mit verbesserter User Experience hat Takko Fashion vor Kurzem seinen Onlineshop neu aufgesetzt. Im neuen Look sorgt der Onlineshop mit starker Bildsprache und Videocontent für abwechslungsreiche Fashion-Inspiration. ...

Anbieter

POS TUNING Udo Voßhenrich GmbH & Co KG
POS TUNING Udo Voßhenrich GmbH & Co KG
Am Zubringer 8
32107 Bad Salzuflen
SES-imagotag SA
SES-imagotag SA
55 place Nelson Mandela
90000 Nanterre
SALTO Systems GmbH
SALTO Systems GmbH
Schwelmer Str. 245
42389 Wuppertal
Captana GmbH
Captana GmbH
Bundesstraße 16
77955 Ettenheim