Bericht • 24.03.2022

Krieg in der Ukraine mit Auswirkungen auf den deutschen Handel

Weitreichende Sanktionen fordern Tribut auf allen Seiten

Eine Person mit dem Symbol der EU auf der Rückseite ihrer Jacke blickt auf...
Quelle: daniele_franchi / Unsplash

Der völkerrechtswidrige Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar hat die Welt verändert. Während die politischen und militärischen Folgen bisher kaum absehbar sind, haben die massiven Sanktionen gegen Russland und die internationale Isolation des Landes bereits spürbare Auswirkungen auch auf die europäische und deutsche Wirtschaft.

Viele Unternehmen haben ihre Exporte nach Russland gestoppt, Investitionen zurückgezogen und die Zusammenarbeit mit russischen Firmen aufgekündigt. Zwar zielen die Maßnahmen in erster Linie gegen die russische Wirtschaft und die russische Regierung, doch wenn Lieferketten gestört und Transportwege unterbrochen sind, werden auch deutsche Händlerinnen und Händler die Auswirkungen der Sanktionen zu spüren bekommen.

Angespannte Lage der Logistikbranche verschärft sich

Vor allem die Logistikbranche leidet bereits unter den Folgen der Kampfhandlungen in der Ukraine und den daraus folgenden Sanktionen der EU und vieler großer Unternehmen. Die Öl- und Gaspreise sind auf einem Rekordhoch. Zwar stagnieren die Preise derzeit, das aber auf sehr hohem Niveau. Für Speditionen bedeutet das zusätzliche Kosten, bei ausbleibendem Umsatz wegen fehlender Fahrten nach Russland und Belarus. Auch Fahrerinnen und Fahrer fehlen. Denn ein Großteil der sonst für europäische Speditionen fahrenden Ukrainerinnen und Ukrainer sind zur Verteidigung ihres Landes in die Ukraine zurückgekehrt. Ihr Fehlen, in Kombination mit den gestiegenen Kosten, führt zu einer weiteren Verschlechterung der durch Corona sowieso schon angespannten Lage.

Industriezweige, die auf große Mengen Strom angewiesen sind, stehen ebenfalls vor enormen Problemen: Stahlwerke, Glashersteller und Chemieunternehmen in Deutschland fahren die Produktion tageweise oder grundsätzlich herunter. Diese Branchen sind abhängig von russischen Gasimporten und bekommen die hohen Preissteigerungen besonders zu spüren.

Einer Blitzumfrage des Deutschen Inudstrie- und Handelskammertages (DIHK) zufolge fühlen sich mittlerweile fast 80 % der deutschen Unternehmen direkt oder indirekt vom Krieg in der Ukraine betroffen. In der Industrie spürt nur einer von zehn Betrieben keine Folgen.

Blick auf ein großes Lagerhaus mit vielen Regalen und Paketen...
Die bereits vor dem Krieg angespannte Lage der Logistikbranche hat sich weiter verschärft.
Quelle: sulyok_imaging / Unsplash

Wachsende Auswirkungen auf den Handel

Für Einzelhändlerinnen und Einzelhändler stellt sich die Situation aktuell noch nicht so düster dar. Doch auch sie spüren die Auswirkungen des Krieges bereits. Die internationalen Lieferketten halten zwar noch, stehen durch die bereits angesprochenen Probleme der Logistikbranche, die fehlenden Importe aus Russland und die eingeschränkten Produktionsmöglichkeiten in der Ukraine aber unter großem Druck. Eine Zerreißprobe für das stark verflochtene europäische Handelsnetz. Hamsterkäufe von Teilen der Bevölkerung fügen der Lage eine weitere Unbekannte hinzu. So wird zum Beispiel besonders günstiges Sonnenblumenöl, welches zu großen Teilen aus Russland und der Ukraine kommt, nicht mehr ausreichend geliefert. Die Konsequenz: Einige Kundinnen und Kunden decken sich mit größeren Mengen an anderen pflanzlichen Ölen ein und sorgen damit für eine Flaute in den Regalen.

Durch die schwierige Lage der Logistiker und vieler anderer, von russischem Gas abhängigen Unternehmen könnten auch die Preise für Endverbraucher steigen. Bereits vor Beginn des Krieges lag die Inflationsrate im Februar laut Angaben des Statistischen Bundesamtes bei 5,1 % und damit 0,2 % höher als im Monat zuvor. Die Verbraucherpreise stiegen in diesem Zeitraum um 0,9 %. Für Händlerinnen und Händler stellt sich die Frage, wie weit man die Preissteigerungen mit Zugeständnissen an die Zulieferbetriebe abfangen kann, ohne die eigene Position auf dem Markt zu schädigen. Der Einkauf bei Edeka, Rewe, Kaufland & Co dürfte damit in Laufe des Jahres spürbar teurer werden. Davon profitieren könnten Discounter, die besonders dann aufblühen, wenn Kundinnen und Kunden jeden Cent zweimal umdrehen müssen.

Eine Person betankt ihr Auto
Endverbraucher spüren die Preissteigerung bei Öl und Gas besonders an der Zapfsäule.
Quelle: enginakyurt / Unsplash

Russische Wirtschaft im freien Fall

Die größte Last der Sanktionen trägt aber ohne Zweifel die russische Wirtschaft. Die Liste der namhaften Firmen, welche sich aus dem Land zurückziehen, wird von Tag zu Tag länger. Unternehmen wie McDonalds, Puma, Netflix oder Apple, die beinahe sämtliche Geschäftsaktivitäten und Verkäufe in Russland eingestellt haben, sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. So haben die meisten der großen Autobauer ihre Exporte nach Russland gestoppt. Logistikanbieter wie DHL, FedEx oder Maersk haben ihre Lieferungen nach Russland eingestellt und Energiekonzerne wie BP oder Shell ziehen sich schrittweise vom russischen Markt zurück.

Deutlich schwerwiegender als die sofort spürbaren Auswirkungen dürften für Russland die langfristigen Folgen werden. Denn große Investitionen in das Land sind für viele westliche Unternehmen aktuell undenkbar. Wie sich das auf die technologische und wirtschaftliche Zukunft Russlands in den kommenden Jahren auswirken wird, bleibt abzuwarten. Eine positive Prognose stellt aber, außerhalb des Kremls, niemand.

Einzigartige Chance auf Veränderungen

Gleichzeitig bietet sich hier sowohl dem Handels- als auch dem Energiesektor in Deutschland und in Europa eine Gelegenheit, die über viele Jahre vernachlässigt wurde: eine Unabhängigkeit vom russischen Markt zu schaffen. Bereits jetzt laufen von der Bundesregierung und von Unternehmen initiierte Maßnahmen zur Sicherung der zukünftigen Eigenständigkeit bei Gas und Öl oder zumindest die Verlagerung der Abhängigkeiten weg von Russland hin zu europäischen Partnern.

Wie sich die Lage weiter verändern wird, kann aktuell nicht vorhergesagt werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Krieg in der Ukraine, dem bereits so viele Menschen zum Opfer gefallen sind, bald ein Ende findet und sich die Beziehungen der beteiligten Ländern langfristig wieder normalisieren. Denn während in Deutschland über steigende Spritpreise, fehlendes Sonnenblumenöl und gedämpftes Wirtschaftswachstum diskutiert wird, darf eine Sache dabei nicht vergessen werden: Nur zwei Grenzen entfernt sterben tausende Menschen aufgrund der Machtfantasien eines einzelnen Mannes. 

Diesen Krieg zu beenden muss das oberste Ziel sein. Dafür müssen Verbraucherinnen und Verbraucher Hand in Hand mit Unternehmerinnen und Unternehmern sowie Händlerinnen und Händlern auftreten und Einschränkungen zumindest akzeptieren oder sogar als Chance für Veränderung erkennen.

Anmerkung: Aufgrund des dynamischen Geschehens rund um den Krieg in der Ukraine, der sich laufend ändernden Gegebenheiten und vieler nicht überprüfbarer Quellen stellt dieser Artikel keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Informationen. Er wird, wenn nötig, aktualisiert.

Autor: Matthias Groß

Weitere Beiträge zum Thema:

Beliebte Beiträge:

Thumbnail-Foto: Klimaneutralität: So sparst du Energie in deinem Store!...
27.11.2023   #Beleuchtungskonzepte #Umwelt

Klimaneutralität: So sparst du Energie in deinem Store!

Die Klimaschutzoffensive des Handels hilft praxisnah und mit neuen und innovativen Pilotprojekten – auch dir.

Eine EDEKA-Filiale in Leipzig wird zum ersten klimaneutralen Supermarkt - Aber wie?

Thumbnail-Foto: Mit rapidmail die Kundenbindung stärken
22.02.2024   #Online-Handel #Marketing

Mit rapidmail die Kundenbindung stärken

Trotz sozialer Netzwerke und Kurznachrichten-Diensten – die E-Mail zählt noch immer zu den effektivsten Kanälen in der Kundenkommunikation und lässt sich in nahezu allen Marketingbereichen einsetzen. Die auf den Online-Vertrieb ...

Thumbnail-Foto: Chinesisches Neujahrsfest 2024: erfolgreiche Marketingstrategien...
31.01.2024   #E-Commerce #Marketing

Chinesisches Neujahrsfest 2024: erfolgreiche Marketingstrategien

So können (Online-)Händler*innen von den Feierlichkeiten profitieren

Das Chinesische Neujahrsfest 2024 beginnt am 10. Februar und dauert 16 Tage. Während des bedeutenden Festes, das nicht nur in China ...

Thumbnail-Foto: REMIRA präsentiert die vollständig digitale Customer Journey...
16.02.2024   #Handel #Tech in Retail

REMIRA präsentiert die vollständig digitale Customer Journey

EuroCIS 2024: Maximaler Nutzen für Händler und Kunden
ohne Vendor-Lock-In

Die moderne Handelswelt ist geprägt vom Einsatz zahlreicher Systeme verschiedenster Anbieter. Insbesondere im Retail-Handel sind noch viele Softwareunternehmen nur mit immensem Aufwand bereit, Lösungen anderer Anbieter zu integrieren. ...

Thumbnail-Foto: Valentinstags-Marketing: kreative Kampagnen, die den Ton treffen...
18.01.2024   #stationärer Einzelhandel #Nachhaltigkeit

Valentinstags-Marketing: kreative Kampagnen, die den Ton treffen

Beispiele, wie du am Valentinstag punkten kannst

Zalando schlug 2021 zwei Fliegen mit einer Klappe: Mit der Aufforderung „campaign exchange the clothes after your ex“ zeigte man der Kundschaft ...

Thumbnail-Foto: Für dich: Retail-Marketing-Kalender 2024
08.01.2024   #Marketing #Verkaufsförderung

Für dich: Retail-Marketing-Kalender 2024

Diese Phasen und Tage kannst du im kommenden Jahr für dich und dein Geschäft nutzen

Geburtstage, Ferien, Urlaube … All diese Tage werden von uns alljährlich in Kalendern festgehalten, um unseren persönlichen Alltag zu planen. Aber auch das Geschäftsjahr lässt sich planen. Für Händler*innen kann ...

Thumbnail-Foto: Kund*innen zu Freunden machen – So kann’s gehen...
24.01.2024   #Marketing #Online-Marketing

Kund*innen zu Freunden machen – So kann’s gehen

WhatsApp-Channels als Geheimwaffe im Marketing-Mix

Im Herbst 2023 hat Meta mit den WhatsApp-Kanälen eine völlig ...

Thumbnail-Foto: Weihnachtsdeko: Setz deinen Store in Szene!
09.11.2023   #Kundenerlebnis #Ladendekoration

Weihnachtsdeko: Setz deinen Store in Szene!

Vom Boden, über die Regale und Lichter bis zum Schaufenster – so machst du deinen Store fit fürs Weihnachtsgeschäft!

Die Wochen vor Heiligabend gelten als die umsatzstärksten des Jahres...

Thumbnail-Foto: Veganuary 2024: Beste Verkaufsstrategien und Beispiele...
11.01.2024   #stationärer Einzelhandel #Lebensmitteleinzelhandel

Veganuary 2024: Beste Verkaufsstrategien und Beispiele

Warum Einzelhändler*innen den Trend nutzen sollten

Der Veganuary ist in Deutschland in die vierte Runde gestartet. Über 850 deutsche Unternehmen beteiligen sich an dieser globalen Bewegung ...

Thumbnail-Foto: Tipps: Optimale Shopping Experience zu Weihnachten...
22.11.2023   #Online-Handel #Künstliche Intelligenz

Tipps: Optimale Shopping Experience zu Weihnachten

So bereitest du dich als Amazon-Händler*in auf die Shoppingtage vor

Die Aktionstage zum Beginn der weihnachtlichen...

Anbieter

REMIRA Group GmbH
REMIRA Group GmbH
Phoenixplatz 2
44263 Dortmund