Herr Dr. Weber, aktuell wird in der Branche intensiv über die EU-Gebührenregulierung diskutiert. Können Sie kurz umreißen, was diese genau beinhaltet und wie die Regulierung Ihrer Meinung nach den Einzelhandel betreffen wird?
Die Ausgestaltung der nationalen Umsetzung der EU-Gebührenregulierung ist für die Branche von erheblicher Bedeutung. Das Pricing-Modell wird über die Akzeptanz und Zukunft von Kartenzahlung und Mobile Payment mitentscheiden. Einerseits wird die Höhe der Gebühreneinnahmen drastisch beschränkt und die Gewinnanreize für neue Marktteilnehmer sinken. Andererseits wird die Regulierung die Kartenzahlung für Händler attraktiver machen, gerade auch im Vergleich zur Cash-Zahlung. Zu erwarten ist, dass künftig mehr Händler Kartenzahlungen ermöglichen, da ihre Kosten nachhaltig gesenkt werden.
Die öffentliche Diskussion wird vom prozentualen Limit in der Gebührenverordnung (0,2 Prozent bei Debit-, 0,3 Prozent bei Kreditkarten) bestimmt. Diese sogenannte Interchange-Gebühr ist bei den internationalen Zahlverfahren (z. B. Visa oder MasterCard) nur eine Komponente der Gesamtgebühr, die der Händler zu bezahlen hat. Zusätzlich muss der Händler Gebühren an die Kartenorganisationen („Scheme Fees“ z. B. an Visa oder MasterCard) sowie eine Gebühr für seinen eigenen Zahlungsdienstleister, den sogenannten Acquirer, entrichten. Die Gebühren an die Kartenorganisationen und den Acquirer sind nicht Gegenstand der EU-Verordnung und unterliegen demnach auch keiner Regulierung.
Aktuell wird intensiv diskutiert, inwieweit die nationalen Zahlverfahren in Deutschland, das EC-Cash-Verfahren über die Girocard sowie die elektronische
Lastschrift („ELV“), von der Regulierung erfasst werden. Diese sehr verbreiteten und für den Händler kostengünstigen Verfahren weisen keine unterschiedlichen Kostenelemente auf und wurden bisher einheitlich mit einer prozentualen Gebühr auf den Kaufpreis bepreist, etwa 0,3 Prozent im Fall der Girocard. Um sicherzustellen, dass auch bei sehr kleinen Kaufbeträgen die Zahlungsdienstleister noch kostendeckend arbeiten können, gab es eine fixe Preisuntergrenze, im Fall der Girocard 8 Cent pro Transaktion. Bei der anstehenden nationalen Umsetzung der EU-Gebührenverordnung muss der deutsche Gesetzgeber unter Federführung des Bundesfinanzministeriums entscheiden, welche Gebührendeckel Girocard und ELV bekommen. Hierbei ist dringend anzuraten, dass die unterschiedlichen Preisstrukturen von nationalen und internationalen Zahlverfahren berücksichtigt werden.
Was sind die nationalen Besonderheiten bei den Bezahlverfahren in Deutschland?
Deutschland ist nach wie vor ein starkes Barzahlungsland. Es reicht nicht allein, wenn Händler künftig häufiger Kartenzahlungen ermöglichen oder das Mobile-Payment-Angebot ausgeweitet wird. Der Wille des Konsumenten zum bargeldlosen Zahlen muss sich erhöhen. Hier führt der Weg zum Erfolg vor allem über eine einfache und intuitive Gestaltung des Zahlungsvorgangs (Convenience) und einen gewissen "Coolness-Faktor".
Welche negativen Auswirkungen könnte es für den deutschen Handel geben?Eine Gefahr bei der nationalen Umsetzung der EU-Gebührenregulierung könnte darin bestehen, dass der regulierte Endpreis für den Händler bei Girocard und ELV in der Diskussion gleichgesetzt wird mit der regulierten Interchange bei den internationalen Zahlverfahren, obwohl letztere nur einen Teil der Händlergebühr darstellt. Wenn jetzt, angespornt durch die Kostensenkungswünsche der deutschen Händlerschaft, die Gebühren von Girocard und ELV auf ein nicht mehr kostendeckendes Level abgesenkt werden, sind diese Zahlverfahren in ihrer Existenz bedroht. Und ohne die Konkurrenz der nationalen Zahlverfahren sind etwaigen Preiserhöhungen bei den nicht regulierten Scheme Fees von Visa und MasterCard Tür und Tor geöffnet.
Wie wird sich die Regulierung Ihrer Meinung nach auf die Anteile von Karten- und Barzahlung auswirken?
Die Bereitschaft des Konsumenten zum Bezahlen mit Karte hängt unter anderem davon ab, ob und wie seine Karte bepreist ist (ob er etwa eine Jahresgebühr bezahlen muss). Hier kommt die Gebührenregulierung ins Spiel: Durch die vorgesehene Deckelung der Interbankenentgelte bricht den kartenherausgebenden Banken eine erhebliche Einnahmequelle weg. Die große Frage ist nun, wie sie diese Einbrüche künftig ausgleichen. Ich gehe nicht davon aus, dass Issuer ihre Verluste 1:1 an den Konsumenten weitergeben werden, indem sie etwa die Gebühren erhöhen. Denn auch unter den kartenherausgebenden Banken herrscht Wettbewerb. Der „War on Cash“ wird sich somit fortsetzen und langfristig ist eine höhere Akzeptanz für Kartenzahlungen zu erwarten.
Mobile Payment wird auch hierzulande immer beliebter. Wie beeinflusst die aktuelle Entwicklung solche Innovationen im Zahlungsverkehr?
Die Regulierung wird das Spielfeld der Zahlungsdienstleister stark verändern und somit auch indirekt den Mobile-Payment-Sektor beeinflussen. Angesichts des knapper werdenden Verteilungsspielraums in der Wertschöpfungskette durch die Regulierung müssen neue Anbieter wie Apple Pay oder Android Pay und auch alle anderen Mobile-Payment-Verfahren Händlern und Nutzern einen Mehrwert bieten, um an anderer Stelle mitzuverdienen. Daher entwickeln sie Produkte im Bereich Convenience, Kundenakquisition und Kundenbindung. Diese Produkte werfen perspektivisch attraktivere Gewinnmargen als der reine Zahlungsverkehr ab.
Durch die verbesserten technologischen Möglichkeiten werden die Spielräume für neue Services immer größer. Im Speckgürtel um das Kernprodukt Payment bewegen sich etwa die Fintechs dieser Welt. Bei aller Technologie-Begeisterung darf man jedoch eines nicht vergessen: Der Konsument muss letztendlich die Dinge akzeptieren. Das gilt für den Bereich Mobile Payment genauso wie für die Kartenzahlung. Die User Experience ist das entscheidende Element. Es entstehen viele neue Ideen, weil sie technisch möglich sind, treffen aber nicht den Convenience-Nerv der breiten Masse. Dies ist künftig die viel größere Herausforderung als die Regulierung.
Interview: Daniel Stöter, iXtenso.com