Shoppen per Sprachbefehl
Voice Commerce hält für Retailer nicht nur einen weiteren Touchpoint zum Kunden bereit
Amazon
Sie heißen Cortana, Siri, Google Assistant oder Alexa: Die digitalen Sprachassistenten von Microsoft, Apple, Google und Amazon. Per Zuruf reagieren sie auf Befehle oder beantworten Fragen. Zudem lassen sich andere vernetzte Geräte wie Lampen, Musikanlagen oder der Fernseher per Sprachbefehl steuern.
Für den Einzelhandel stellt der sogenannte Voice Commerce eine intelligente Erweiterung des E-Commerce dar. Vorreiter ist hier – wie soll es auch anders sein – Amazon mit dem digitalen Sprachassistenten Alexa. Benötigt wird neben der Alexa-App das Lautsprechersystem Echo, über das der Konsument wie folgt kommunizieren kann:
„Alexa, was steht für heute in meinem Kalender?“
„Heute um 18 Uhr kommt Bello vom Tierarzt.“
„Alexa, setze Tennisbälle und Hundekuchen auf meine Einkaufsliste.“
„Ich setze Tennisbälle und Hundekuchen auf deine Einkaufsliste. […]“
Ganz so simpel wie das Beispiel veranschaulicht, ist der sprachgesteuerte Einkauf jedoch nicht, denn Tennisbälle und Hundekuchen gibt es schließlich wie Sand am Meer. Alexa greift hier auf Präferenzen und bereits bestellte Artikel seiner Prime-Mitglieder zurück. Generell können bislang nur ausgewiesene Prime-Produkte auf diese Weise bestellt werden. Unkonkrete Produkte, eine individuelle Beratung oder Produktvergleiche sind nicht möglich.
Verwendet werden die standardmäßig hinterlegten Zahlungs- und Versandeinstellungen. In der Alexa App können Nutzer einen gesprochenen Bestätigungscode einrichten, die Kauffunktion deaktivieren sowie Produkt- und Bestellinformationen einsehen. Auch das Stornieren einer soeben erfolgten Bestellung kann über einen Sprachbefehl erfolgen. Ein Nachteil: Es gibt kein Interface, um zu kontrollieren, ob die Bestellung korrekt ist. Der Kunde erhält standardmäßig eine Audio- sowie eine Bestellbestätigung per E-Mail, Änderungen können jedoch nur händisch in der App vorgenommen werden.
Voice Commerce bezeichnet das Initiieren eines Online-Einkaufvorgangs über die menschliche Stimme. Anstelle der Eingabe eines Suchbegriffes übernimmt beim Voice Commerce ein Interface sowohl Einkauf als auch Abwicklung und Bezahlung von Produkten im Internet.
Amazon öffnet mit den Alexa Skills Tür für Drittanbieter
In der Alexa-App kann der Prime-Kunde aus verschiedenen „Skills“, ähnlich der Smartphone-Apps, wählen. Fremdentwicklern wird so ermöglicht, Erweiterungen für das System anzubieten. Mit dem Alexa Voice-Service können sie die Technologie über offene Programmierschnittstellen in ihre eigenen Produkte integrieren. Aktuell sind in Deutschland 19 Skills im Bereich „Shopping“ verfügbar.
real,- nutzt bereits ein solches Skill, um Informationen zu Angeboten, aktuellen News, Rezepten und persönlichen Nachrichten aus dem lokalen Real-Markt zur Verfügung zu stellen. Alle Informationen werden über die Real-Markt-Webseite bereitgestellt. Bisher gibt es sechs Sprachbefehle, die kontinuierlich erweitert werden sollen. Real will damit die Verknüpfung von stationärem und Online-Handel weiter ausbauen. Sprachgesteuerte Bestellungen können bisher nicht vorgenommen werden.
Auch AllyouneedFresh, der Online-Supermarkt der Deutsche Post DHL Group, liefert dagegen bereits Lebensmittel auf Zuruf:
Der Nachteil: Um den eigentlichen Einkauf auszulösen, müssen die Nutzer nach Auswahl der Ware in einem zweiten Schritt den Online-Supermarkt AllyouneedFresh ansteuern. Dort können sie die Einkaufsliste noch einmal kontrollieren, gegebenenfalls Änderungen vornehmen und die Produkte dann in den Warenkorb packen und kaufen.
Der Bestellvorgang via Sprachbefehl ist tatsächlich also bisher nur Amazon vorbehalten.
Allerdings können Skills nicht standardmäßig gesetzt werden und müssen immer erneut über einen Sprachbefehl geöffnet werden.
Google und Walmart kooperieren bei Voice-Shopping
In den USA hat sich inzwischen auch Google in den Kampf um die Vormachtstellung im Voice-Commerce eingeschaltet. Seit September sind mehrere hunderttausend verschiedene Walmart-Artikel über den Google Assistant verfügbar. Mit Google Home positioniert sich das Unternehmen klar gegen Amazon. Geliefert werden die Produkte zunächst über den Lieferdienst von Google, später auch über Walmart selbst. Ab dem kommenden Jahr soll das Angebot dann auch auf frische Lebensmittel ausgeweitet werden. Kunden sollen zudem die Wahl haben, ihre Bestellung mitunter gegen einen Preisnachlass selbst in einer der über 4.700 Walmart-Filialen in den USA abzuholen.
Der smarte Lautsprecher von Google ist seit Mitte dieses Jahres auch in Deutschland erhältlich, kann allerdings noch nicht zum Shoppen genutzt werden.
Voice-Commerce nur etwas für Heavy-Online-Shopper?
Zumindest für Deutschland kann man diese Frage aktuell mit “Ja” beantworten. Das zeigt die Studie „Dynamic Digital Consumers“ von Accenture. Zwar nutzen laut einer Umfrage von YouGov knapp die Hälfte der Deutschen gelegentlich die Sprachsteuerung ihrer mobilen Endgeräte, dennoch bleibt die Skepsis gegenüber persönlichen Assistenten bestehen. Eine große Hürde stellt die Unsicherheit in Bezug auf den Datenschutz dar. Denn je mehr Kunden persönliche Assistenten in ihren Alltag integrieren, desto mehr ist das System in der Lage, Daten über sie und ihre Gewohnheiten zu sammeln, auszuwerten und ihnen auf deren Grundlage optimale Vorschläge für jede Gemütslage zu machen.
Was die einen als „Creation of a new Ecosystem“ feiern, sehen andere als massives Eindringen in die Privatsphäre an. „Zurzeit pochen die Nutzer darauf, weiter selber einkaufen zu gehen, um dadurch ihre Autonomie unter Beweis zu stellen“, zeigt Nicole Hanisch, Expertin für Handelsforschung und Geschäftsführerin des rheingold instituts auf.
Der Retail Report 2017 sieht daher den größten Nutzen von Sprachassistenten zukünftig eher im Customer Service. Der Einsatz sei hier vor allem im Rahmen von Chatbots in der Kundenkommunikation denkbar. Aktuellen Schätzungen zufolge könnten Sprachassistenten bis zu 60 Prozent der Kundenkommunikation erledigen. Denn häufig stellen Kunden ähnliche oder wiederkehrende Fragen. Mit der Evolution der Mensch-Maschine-Kommunikation erhalte das gesprochene Wort seinen Stellenwert in der zwischenmenschlichen Interaktion zurück. Langfristig müssen Einzelhändler daher entscheiden, ob die Bestellung von Produkten und Services auch per Sprachsteuerung ermöglicht werden soll.
Angeblich arbeitet Amazon aktuell an einer Brille, mit der Alexa überall und jederzeit aufgerufen werden kann. Auch eine Sicherheitskamera für Amazon Echo soll in Arbeit sein.
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