Interview • 25.06.2010

Logistik-Immobilien an den Top-Standorten sind knapp

Interview mit Umut Ertan, Geschäftsführer Realogis Holding und Realogis Investment, München

Der Handel setzt mit Recht auf Zentrallager, denn dadurch entstehen deutliche Einsparungen und Synergien, insbesondere bei den Personalkosten. Allerdings werden immer mehr Objekte gemietet und nicht mehr selbst gebaut. Darauf weist Umut Ertan, Geschäftsführer von Realogis im Interview hin. Seit 2005 berät seine Unternehmensgruppe Firmen bei der Suche nach Industrie- und Logistik-Immobilien, bei Fulfillment und Investitionen. Viele bestehende Gebäude müssen seiner Ansicht nach dringend modernisiert werden.


Wo stecken Ihrer Erfahrung nach die meisten ungenutzten Sparpotenziale innerhalb der Supply Chain im Handel?

In unserem täglichen Geschäft sehen wir sehr viele veraltete Logistik-Immobilien mit unzureichender Andienung, zu geringen Hallenhöhen und nicht mehr zeitgemäßer Technik. Oft ist die Dämmung unzureichend und Heizquellen sind nicht mehr zeitgemäß. Das führt zu hohen Betriebskosten. Gleichzeitig sind die Möglichkeiten der Nutzung, zum Beispiel für den Lebensmittelbereich, stark eingeschränkt, so dass die Vermietbarkeit sinkt.


Was können externe Berater leisten? Wie offen ist der Handel für Know-how von außen?

Aktuell konnten wir ein Handelsunternehmen exklusiv bei der Anmietung von 25.000 m² Logistikfläche in NRW erfolgreich unterstützen. Durch ein sehr enges Zeitfenster mussten alle Beteiligten wie Wirtschaftsförderung, Projektentwickler, Architekten und die Planungsbehörden in Einklang gebracht werden. Das ist sehr zeitintensiv und es gibt sehr viel zu beachten. Externe Berater leisten hier durch ihr Know-how und ihre Kontakte zu den entsprechenden Experten enorme Zeit- und Kostenersparnis. In diesem konkreten Projekt war es überhaupt erst durch Einschaltung des Beraters möglich, das zeitlich sehr knapp bemessene Projekt zu realisieren. Der Handel ist sehr offen für qualifizierte Immobilienberatung, weil das Realisieren von Logistik-Immobilien nicht zum Kerngeschäft gehört.


Tulpen aus Kenia oder Textilien aus Taiwan – der Warenumschlag wird immer schneller. Wie wichtig ist das Lager in der Wertschöpfungskette?

Hier sind die Ausgangssituationen sehr unterschiedlich. Teilweise sind Lagerkosten innerhalb der Supply Chain nicht der wesentliche Faktor, im Gegensatz zu Transportkosten zum Beispiel. Andererseits kann das richtige Lager in der richtigen Lage auch immense Kosten einsparen.


Der Handel strebt hin zu immer größeren Zentrallagern. Ist dies aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Ja, durch die Zentralisierung der Lagerstandorte entstehen deutliche Einsparungen und Synergien, insbesondere im Bereich der Personalkosten.


Eigentum, Leasing oder Miete – wohin geht der Trend bei den Lagerhallen? Laufen die Mietverträge immer kürzer?

Der Trend geht immer mehr zur Mietlösung, was auch das sinnvollste ist. Die Laufzeit wird im Moment bei Neubauten zum Erstbezug eher länger, weil im Zuge der Krise in der Regel keine Vermietung unter zehn Jahren möglich ist. Bei Bestandsvermietungen sind Laufzeiten von drei bis fünf Jahren die Regel.


Unterscheidet sich die Entwicklung im Handel von anderen Branchen? Gibt es Unterschiede im Vergleich zum Ausland?

Die Nachfrage nach Logistik-Immobilien war 2009 bundesweit dominiert von Handelsunternehmen. Logistik-Dienstleister zum Beispiel haben im Verhältnis wesentlich weniger Flächen angemietet. Das Verhältnis hat sich in 2010 wieder dem langfristig ausgeglichenen Schnitt dieser zwei Schlüsselbranchen angepasst.


Rechnen Sie in den nächsten Jahren mit steigender Nachfrage nach Logistik-Immobilien?

Ja, durch den weltweiten Aufschwung, insbesondere durch China, wird die Nachfrage nach deutschen Exportgütern deutlich zunehmen. Wir haben in den Top-Ballungszentren in guten Lagen bereits heute eine Knappheit an modernen Logistik-Immobilien. Dieser Trend wird sich weiter verstärken. Die Vermietungszahlen liegen dieses Jahr bereits im ersten Halbjahr über den Vorjahreswerten.


Wie sucht man den passenden Logistik-Standort fürs eigene Unternehmen?

Aufgrund von internen Standort-Analysen kann der Kunde den idealen Standort zumeist selbst nennen. Wenn nicht, ermittelt dies auch ein kompetentes Beratungsunternehmen. Schwieriger ist es, am idealen Standort das Gebäude zu realisieren. Hier muss man das Baurecht und die Verfügbarkeit an Grundstücken prüfen. Bei Kompromissbereitschaft seitens des Unternehmens kann der Standort auch in einer Bestandsimmobilie realisiert werden. Wichtig ist, dass der gesamte Markt objektiv vor der Entscheidungsfindung aufbereitet wird.


Der Hamburger Hafen und der Airport in Frankfurt sind logistische Drehkreuze. Gibt es hier überhaupt noch freie Flächen?

In diesen Lagen ist die Nachfrage am höchsten. Dennoch gibt es noch Realisierungsmöglichkeiten, insbesondere durch Revitalisierung bestehender Gebäude, Abriss oder Erweiterungsoptionen. Es gibt allerdings noch weitere wesentliche Knotenpunkte, wie zum Beispiel der Nürnberger Hafen, an denen kurz- bis mittelfristig eine Grundstücksknappheit vorherrschen wird. Geeignete Bestandsobjekte sind aktuell noch verfügbar.


Lagerhallen sind Zweckbauten. Wie stark ist die Standardisierung?

Sehr stark. Die weltweite Globalisierung hat Mindeststandards definiert, durch die heute moderne Logistik-Immobilien einander sehr ähneln. Unabhängig ob diese in Deutschland, der Türkei oder den USA stehen. Hier spricht man auch von der Drittverwendungsfähigkeit, auf die insbesondere Investoren hohen Wert legen, weil sie eine nachhaltige Vermietung gewährleistet. In einer modernen standardisierten Logistik-Immobilie können nahezu 90 Prozent der Kundenanfragen realisiert werden. Der Standard liegt somit nicht weit vom Optimum.


Auf den Autobahnen gibt es immer mehr Staus, die Städte erschweren die Citylogistik mit Umweltzonen, der Staat kassiert bei der Mineralölsteuer. Wie reagieren die Logistiker?

Natürlich nicht erfreut. Der ohnehin harte Wettkampf zwischen den Akteuren hat sich weiter verschärft. Auf der anderen Seite hat sich ein Wandel in der Wahrnehmung der Logistik-Branche vollzogen, wovon auch andere Nutzer von Logistik-Immobilien partizipieren. Die Politik, Behörden sowie die Bevölkerung stehen heute der Logistik nicht mehr ganz so skeptisch gegenüber, wie das einmal vor zehn Jahren der Fall war.


Hat die Schiene eine Zukunft im Supply Chain Management?

Wir haben in sehr seltenen Fällen die Nachfrage nach Schienenanbindung. Erst ab sehr großen Volumina und in industriellen Fertigungsprozessen spielt die Schiene eine Rolle. Dennoch stehen duomodale Logistik-Immobilien für eine gute Standortqualität und Nachhaltigkeit.
 

Interview: René Schellbach,
eurocis.com

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