Händler-App: Produktfälschungen erkennen und Kundenkontakt stärken
Sichere Barcodes auf Papieretiketten bieten Händlern und Kunden viele Mehrwerte
panthermedia.net/Claudio Divizia
Durch Produktfälschungen entstehen hohe finanzielle Schäden durch Umsatzverlust, geringere Steuereinnahmen und die Gefährdung von Arbeitsplätzen – nicht nur für Händler und Hersteller. In der EU belaufen sich diese Verluste laut dem EUIPO (Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum) auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr.
Auch aus Sicht der Kunden ist es ärgerlich, sich bewusst für ein Markenprodukt zu entscheiden und stattdessen eine Fälschung zu erhalten. Eine neue Lösung soll ermöglichen, dass Kunden die Echtheit eines bestellten Produkts selbst überprüfen können. Verwenden sie dazu die Händler-App, eröffnen sich dem Anbieter zahlreiche Möglichkeiten, direkt mit dem Verbraucher zu interagieren. Für welche Zwecke Händler den gewonnenen Zugang nutzen können, erklärt uns Dr. Ulf Sparka, Geschäftsführer der inotec Barcode Security GmbH, im Interview.
Herr Dr. Sparka, wie kamen Sie auf die Idee, Ihre Leistung Händlern und Herstellern anzubieten?
Momentan entsteht in Deutschland ein jährlicher Schaden von über acht Milliarden Euro durch gefälschte Güter. Unfassbare Mengen an Produktfälschungen strömen in den deutschen und europäischen Markt. Das bedeutet, dass wahrscheinlich jeder schon einmal eine Fälschung erworben hat.
Kunden können sich also nicht darauf verlassen, dass sie ein Originalprodukt erhalten. Kaufen Sie ihre Ware beim stationären Einzelhändler um die Ecke, können Sie vielleicht noch davon ausgehen, dass es sich um ein Original handelt. Aber wenn Sie Artikel über einen Onlineshop beziehen und das Produkt beispielsweise aus China geliefert wird, ist die Frage berechtigt: „Ist das jetzt wirklich ein Markenprodukt?“ Auf diese Frage können wir eine verlässliche Antwort geben.
Und das machen Sie mithilfe von Etiketten?
Richtig, mit einfachen Papieretiketten ohne NFC und RFID. Vielleicht nicht so sexy, aber sie funktionieren und sind preiswert. NFC- oder RFID-Etiketten kosten einige Cents pro Stück. Papieretiketten sind deutlich günstiger.
Warum kennen Sie sich mit Etiketten und Barcodes aus?
Wir sind auf serielle Güterkennzeichnung spezialisiert. Typischerweise kennzeichnen wir Umlaufbehälter. Im Lebensmitteleinzelhandel beispielsweise werden große Pools an Behältern zum Transport benötigt. Diese Behälter sind meist mit einem Barcode gekennzeichnet und diese Barcodes kommen von uns.
Barcodes finde ich ja überall in zahlreichen Formen.
Stimmt. Unsere Barcodes sind allerdings einmalig. Auf Milchpackungen einer Sorte finden Sie beispielsweise den gleichen Barcode für das Kassensystem, damit Sie den Artikel erkennen und verfolgen können. Wir aber nehmen eine individuelle Güterkennzeichnung vor. Wir haben Etiketten, die absolut fälschungssicher sind.
Funktioniert das tatsächlich: 100-prozentig fälschungssicher?
Das werden wir immer gefragt, denn von 100-prozentiger Fälschungssicherheit zu sprechen, ist schon ein starkes Statement. Ein Geldschein sollte zum Beispiel absolut sicher sein, deswegen hat er viele Sicherheitsmerkmale. Und trotzdem gibt es gefälschte Geldscheine im Umlauf.
Wie kriegt inotec das denn gelöst?
Wir haben einen anderen Ansatz: Unsere Sicherheitsgarantie steckt nicht in der Drucktechnologie, sie steckt in der Software. Wir generieren zwei Zufallszahlen, kombinieren sie und drucken sie zusammen auf ein Etikett, eine Zahl ist sichtbar und eine versteckt im Hintergrund. Diese Zahlenkombination ist in einer Datenbank hinterlegt. Scannt der Kunde das Etikett mit meinem Smartphone, kann er über eine App abfragen, ob die beiden Zahlen zusammengehören. So kann er sichergehen, dass er ein Originalprodukt in der Hand hält.
Welchen weiteren Vorteil hat die Verifikation des Produkts für den Händler?
Wenn ein Endverbraucher das Produkt mit der App prüft, entsteht für den Händler ein direkter Kommunikationskanal zum Kunden. Über die App kann er versuchen, seinen Kunden zu binden, indem er Mehrwerte bietet. Er kann mehr Content anbieten, ein Erklärvideo zum Beispiel, oder weitere passende Produkte und Services anbieten wie die Sporthose oder den Trainingsplan zu den Laufschuhen.
Das gekaufte Produkt könnte der Händler auch zur Eintrittskarte für Erlebniswelten machen. Also nur derjenige, der diese Code-Kombination gescannt hat, kann zum Beispiel bestimmte Musikstücke herunterladen, Videos ansehen oder Mitglied in einem exklusiven User-Club werden.
Mit Fantasie gibt es unzählige Möglichkeiten, wie man diesen Zugang zum Kunden einsetzen kann, hier ist die jeweilige Marketing-Abteilung gefragt.
Lassen Sich aus dieser Interaktion auch Daten gewinnen und nutzen?
Allerdings. Im Hintergrund gibt diese App sämtliche Interaktionen an eine Datenbank weiter. Händler und Hersteller mit Zugriff auf die Datenbank – entweder über eine Webapp oder eine CRM-Anbindung – können dann verfolgen, was ihre Kunden gerade mit dem Produkt und der App machen. Darüber ließe sich dann beispielsweise in Echtzeit messen, wie neue Produkte im Markt ausgerollt werden oder wie wirksam gewisse Kampagnen sind.
Nun müssen Sie zugeben, dass es einen Haken an der Sache gibt: Sowohl Kunden als auch Händler brauchen eine spezielle App für diesen Service.
Das ist eine ganz klare Hürde. Um die zu überwinden, muss es zusätzliche Anreize für den Kunden geben, damit er die App installiert und nutzt.
Händler müssen keine neue App entwickeln oder übernehmen. Wir haben das Produkt bewusst skalierbar aufgebaut: Derjenige, der noch keine eigene App hat, kann eine von uns gebrandete App verwenden. Händler, die bereits eine eigene App im Einsatz haben, können unsere Anwendung einbinden.
Wenn Händler oder Hersteller Ihre Lösung einmal ausprobieren wollen, welche Möglichkeiten gibt es da?
Möchte man klein anfangen, kann man komplett vorkonfigurierte Etiketten bekommen. Eine Etikettenrolle kennzeichnet dann beispielsweise die roten Laufschuhe, eine andere Rolle die blauen Laufschuhe. Händler oder und Hersteller können die Etiketten dann selbst auf den Produkten anbringen.
Für Händler oder Hersteller, die Dutzende oder Hunderte von Produkten anbieten, wäre dieses Verfahren nicht geeignet. Hier würde man eine Rolle mit ‚jungfräulichen‘ Etiketten benutzen und diese dann mit einem neuen Produkt eindeutig verheiraten, sprich initialisieren. Diese Daten werden dann in der Datenbank gespeichert und optimalerweise auch im ERP-System mitgeführt.
Wird Ihre Lösung denn schon angewendet?
Noch sind wir sind im Rollout. Wir haben den ersten Piloten, einen Produzenten in Deutschland, der seine Produkte auch in Asien vertreibt. Ihm ist nicht nur wichtig, seinen Verbrauchern die Möglichkeit der Produktverifikation anzubieten. Er verspricht sich auch davon, etwas über seine Kunden in Asien zu lernen.
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