Viele Handelsunternehmen sind bereits im ersten Lockdown neue Wege gegangen und bieten ihre Produkte nun auch online an. Sei es über einen Online-Shop, einen Facebook/Instagram-Shop mit click & collect oder über Whatsapp-Shopping.
Nun lösen diese digitalen Prozesse das Problem zwar technisch, schaffen aber einen großen emotionalen Abstand, vor allem bei treuen Stammkunden.
Um diese digitale Hürde zu überwinden, bietet sich das interaktive Live-Shopping über Soziale Medien besonders an. Dabei sollten jedoch einige Punkte beachtet werden, damit die Vor- und Nacharbeit am Ende nicht mehr Aufwand als Erfolg bringt. Hier haben wir alle wichtigen Schritte einmal zusammengefasst.
Schritt 1: Das richtige Equipment schafft die Grundlage
Bevor man sich über die passenden Produkte Gedanken macht, sollte die Grundvoraussetzung einer guten Videoproduktion an erster Stelle stehen. Da die KundInnen die Produkte nur über den Bildschirm sehen können, muss die Videoqualität möglichst hoch sein. Niemand wird sich für ein Produkt entscheiden, das er oder sie nur verpixelt oder in einem schlecht ausgeleuchteten Kellerraum gesehen hat. Das Auge kauft mit! Daher sollten folgende Gerätschaften vorhanden sein:
- Ein Ringlicht zur guten Ausleuchtung
- Ein einfacher Hintergrund ohne viel Schnickschnack, der nicht vom eigentlichen Produkt ablenkt – optional mit Link zum Onlineshop, damit dieser dauerhaft sichtbar ist
- Sollten die Aufnahmen in einem großen, hallerfüllten Raum stattfinden, sollte über ein kleines Mikrofon für gute Tonqualität nachgedacht werden
- Die Aufnahmen sollten an einem Ort mit stabiler Internetverbindung stattfinden, um verpixelte Übertragungen zu verhindern bzw. zu minimieren.
Schritt 2: Der richtige Zeitpunkt ist entscheidend
Ein Live-Shopping-Event ergibt natürlich nur dann Sinn, wenn möglichst viele KundInnen zu erreichen sind. Eine auf die Kundschaft abgestimmte Streaming-Zeit ist daher besonders wichtig. Für den Bereich Mode ist daher ein abendlicher Termin nach den Nachrichten, also gegen 20:30 Uhr die optimale Zeit. Für einen Baumarkt bietet sich vielleicht eher ein Nachmittag am Wochenende an. Ein genauer Blick auf die eigene Kundschaft reicht da meist schon aus, um den passenden Termin und Zeitraum zu finden.
Auch über die Regelmäßigkeit des Events sollte im Vorfeld eine Entscheidung gefallen sein und beibehalten werden. Viele Jahre YouTube haben gezeigt, dass sich die Zuschauer*innen an eine gewisse Regelmäßigkeit gewöhnen und zu diesem Zeitpunkt auch ein Video erwarten. Bleibt dieses vermehrt aus, wenden sich zu Zuschauer wieder ab.
Schritt 3: Sind alle Ladengeschäftsprozesse darauf vorbereitet?
Jedes Live-Shopping-Event führt im besten Fall zu einem erhöhten Verkauf im Onlineshop. Das bedeutet allerdings, das die eigentliche Arbeit erst nach dem Event beginnt. Dann müssen alle Bestellungen möglichst schnell abgearbeitet und versendet werden, je nachdem, welche Lieferfristen angesetzt sind. Zur Einhaltung dieser Fristen ist jeder Onlineverkäufer gesetzlich verpflichtet. Dazu muss also schon im Vorfeld klar sein, wieviel Zeit und welche personellen Ressourcen am Folgetag zur Verfügung stehen. Eine genaue Inventur des Verpackungsmaterials sollte schon einige Tage vorher erfolgen. Außerdem sollte man sich darüber im Klaren sein, mit welchem Versanddienstleister man die Ware versenden möchte.
Schritt 4: Produktauswahl- und vorbereitung
Erst wenn alle vorangehenden Punkte abgearbeitet sind kann sich Gedanken um die eigentlichen Showrunner gemacht werden. Für die Auswahl der richtigen Plattform (Facebook, Instagram, Youtube etc.) ist die Follower-Zahl entscheidend. Hat man 300 Follower auf Youtube aber 3000 auf Instagram, ist Instagram die sinnvollere Plattform, um möglichst viele KundInnen zu erreichen. Dazu sollte man im Hinterkopf behalten, dass es immer nur eine begrenzte Live-Streaming-Zeit auf den Plattformen gibt. Bei Instagram sind beispielsweise nur 60 Minuten möglich, danach stoppt die Aufnahme automatisch. Die richtige Plattform entscheidet also auch darüber, wie viele Produkte am Ende vorgestellt werden und welche Kundschaft virtuell erreicht werden kann.
Für die ersten Versuche empfiehlt sich eine kleinere Auswahl an Produkten, um nicht über das Zeitlimit zu gehen, aber auch um die Prozesse im Anschluss nicht gleich zu überlasten. Sobald man ein Gefühl dafür bekommen hat, wie lange eine Präsentation dauert und wie viel pro Event gekauft wird, darf sich langsam gesteigert werden.
Nachdem eine Auswahl getroffen wurde, sollten im Onlineshop die Produkte mit mindestens einem Foto und einer kurzen Produktbeschreibung eingestellt werden. Da im Live-Shopping selbst genau auf jedes Detail eingegangen wird, reicht eine kurze Beschreibung, um die Wiedererkennung zu gewährleisten. Außerdem bietet sich ein extra Label oder eine Live-Shopping-Kategorie im Onlineshop an, damit die KundInnen möglichst schnell die Produkte finden. Die eingestellten Produkte werden erst kurz vor dem Event im Onlineshop live geschaltet. Wie lange die Produkte nach dem Event im Onlineshop zur Verfügung stehen, sollte ebenfalls im Vorfeld bedacht werden.
Schritt 5: Ordentlich die Werbetrommel bespielen
In den Tagen vor dem Event sollte mindestens ein Social-Media-Post Bezug auf das Live-Shopping nehmen. Beim ersten Live-Shopping empfiehlt es sich, eine Woche vor dem eigentlichen Termin mit der Bewerbung zu beginnen. Es dürfen auch in den Stunden vorher kurze Erinnerungen gepostet werden.
Schritt 6: das Live-Shopping-Event
Für ein Live-Streaming empfiehlt es sich, mindestens drei Personen vor Ort zu haben. Eine vor der Kamera, eine dahinter, die den Chatverlauf verfolgt, und eine, die den Onlineshop im Auge behält oder für den Kundenservice verantwortlich ist.
Kurz bevor der „Live“-Button betätigt wird, ist es besonders wichtig, die Einstellungen des Streams zu bearbeiten. Bleibt das Video 24 Stunden online oder nur für die Zeit, in der man live ist? Soll das Video auf dem Smartphone gespeichert werden, um es eventuell auch auf anderen Plattformen hochzuladen? Wer alles darf sich das Live-Event ansehen? Sollten diese Einstellungen vergessen werden, kann es sein, dass der Live-Stream nach der Aufnahme komplett verschwunden ist. Das könnte dazu führen, dass weniger ZuschauerInnen erreicht werden und das Verkaufspotenzial nicht vollständig ausgeschöpft wird.
Sobald der „Live“-Button betätigt wurde, kann die Ware im Detail vorgestellt werden. Es empfiehlt sich, nach jedem Produkt noch einmal auf den Weg zum Onlineshop hinzuweisen. Da nicht alle gleichzeitig zum Live-Streaming „einschalten“, sollte dies auch immer zwischendurch wiederholt werden, damit alle Zuschauer jederzeit wissen, wo der Kauf abgeschlossen werden kann.
Nach jeder Warenvorstellung sollte eine kurze Pause zur Interaktion mit den KundInnen stattfinden. Viele stellen bereits im Chat wichtige Fragen, die an dieser Stelle beantwortet werden können. Nur mit dieser Interaktion kann die digitale Mauer zwischen den KundInnen und dem Händler überwunden werden. Das schafft Vertrauen, eine direkte Kundenansprache und beeinflusst massiv das Kaufverhalten.
Gerade durch die direkte Verbindung zu den KundInnen gilt die Grundregel: Je menschlicher, desto sympathischer. Es muss kein perfekter Stream ohne Versprecher oder Patzer sein, schließlich sind wir keine Roboter. Das Event sollte Spaß machen, sowohl für die HändlerInnen, als auch für die KundInnen. Um sich zukünftig zu verbessern, kann die Kundschaft auch direkt gefragt werden, was ihr gefallen hat. Das setzt den Kunden in den Mittelpunkt und genau darum geht es.
Schritt 7: Nach dem Live-Shopping ist vor dem Live-Shopping-Event
Das gesamte Verfahren kann nur dann erfolgreich werden, wenn auf die ZuschauerInnen auch nach dem Event eingegangen wird. Verschiedene Social-Media-Posts mit den Produkten sollten auch 24 Stunden nach dem Event noch einmal auf das Video und den Onlineshop hinweisen. Ebenfalls sollte ein Folgetermin mit einem kleinen Teaser entweder im Live-Stream selbst oder in den darauffolgenden Tagen bekannt gegeben werden. Dabei ist auf die in Punkt 3. erwähnte Regelmäßigkeit zu achten. Sind die Kunden darauf konditioniert und erwarten freudig den nächsten Termin, hat man definitiv alles richtig gemacht. Die Bestätigung wird sich dann in den Kommentaren wiederfinden.
Nachdem ein Folgetermin festgelegt ist, kann die Vorbereitung wieder losgehen. Um das Ganze mit den Prozessen im Ladengeschäft abzugleichen, sollten auch HändlerInnen eine gewisse Regelmäßigkeit verinnerlichen und einen genauen Terminplan erstellen. Wenn z.B. ein Live-Shopping-Event alle 2 Wochen am Mittwoch stattfindet, sollten Produkte bereits am Mittwoch eine Woche vorher ausgewählt sein. Fotos und Produktbeschreibungen sollten zum Einstellen in den Onlineshop spätestens zwei Tage vorher fertig sein. Dies sollten immer die gleichen Tage und Fristen sein, damit der gesamte Prozess neben dem Ladengeschäft zu den täglichen Abläufen gehören kann. Nur wenn Online- und Offline-Prozesse eine Synergie ergeben, kann erfolgreiches Live-Shopping betrieben werden.