Unbemannte Stores: Wie die Nahversorgung der Zukunft aussehen könnte

Tante Emma wird zur App

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Quelle: Wheelys

Obwohl Ladenöffnungszeiten flexibler geworden sind, kennt wohl jeder das Problem: Immer dann, wenn man tatsächlich etwas braucht, und das zumeist am Wochenende, haben Supermärkte bereits ihre Türen geschlossen. Unbemannte Geschäfte, die 24/7 geöffnet sind, könnten in Zukunft die Lösung für die Rund-um-die-Uhr-Nahversorgung sein.

Das Prinzip ist nicht neu: 24 Stunden rund um die Uhr kommen beispielsweise auch Bibliotheken und Fitnessstudios ohne Personal aus.

„Der unbemannte Store ist eine weitere Rationalisierungsmaßnahme des Lebensmitteleinzelhandels, die aber gleichzeitig belohnt wird durch einen zeitlichen Vorteil für den Konsumenten“, erläutert Prof. Peter Wippermann, Gründer der Trendforschungsagentur Trendbüro, und ergänzt: „Es geht darum, zusätzliche Dienstleistungen anzubieten, die dem Kunden Zeit ersparen.“

Der spontane Einkauf von Dingen des täglichen Bedarfs wird hier erledigt, da die Stores jederzeit zugänglich sind. „Im Grunde sind sie eine Mischung von Kiosk und Verkaufsautomat, indem sie rund um die Uhr ein umfangreiches Sortiment bieten können“, betont Janine Seitz, Kulturanthropologin mit dem Schwerpunkt „Einzelhandel“ und Leiterin Report-Publikationen beim Zukunftsinstitut. Unbemannte Stores stehen damit in direkter Konkurrenz zu Kiosken und Tankstellen.

Die Idee, Automatenläden zu installieren, gab es bereits schon in den 70er Jahren.

"Näraffär" – App ersetzt das Kassenpersonal

Vorreiter ist keineswegs, wie man vielleicht glauben mag, der Internetriese Amazon, sondern ein schwedischer IT-Techniker, der Anfang des Jahres 2016 im südschwedischen Viken den unbemannten Convenience-Store „Näraffär“ eröffnete. In dem etwa 45 Quadratmeter großen Geschäft werden ungefähr 450 Dinge des täglichen Bedarfs angeboten. Zigaretten, Alkohol und Medikamente befinden sich nicht im Sortiment. Zu groß ist der Anreiz für Diebe.

Gründer Robert Ilijason entwickelte eine App für Android- und iOS-Geräte, in der sich der Kunde zunächst registriert. Im Store läuft dann alles nur noch über das Smartphone: Die Tür wird mittels eines QR-Codes geöffnet, die Waren selbständig eingescannt. Die Abrechnung erfolgt monatlich. Außerdem können Kunden Wünsche zu Produkten äußern, die ins Sortiment aufgenommen werden sollen oder technische Fehlfunktionen über eine Textfunktion übermitteln.

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Quelle: Wheelys

MobyMart – Mobiler Supermarkt auf vier Rädern

Das Konzept kam so gut an, dass das Unternehmen Wheelys – bekannt für Mini-Cafés auf Rädern – Näraffär Ende 2016 aufkaufte und MobyMart auf den Markt brachte. Der wesentliche Unterschied zum Vorgängermodell: der unbemannte Store ist auf Rädern unterwegs und somit mobil und flexibel einsetzbar. Im Juni 2017 startete der Minimarkt auf Rädern seinen ersten Testlauf in Shanghai.

„Unbemannt“ bedeutet nicht, dass die Stores ganz ohne Personal auskommen. Immerhin müssen Regale mit neuen Waren befüllt oder die Räumlichkeiten gereinigt werden.

MobyMart ist in etwa so breit wie ein Lieferwagen und etwas länger als ein Kleinlaster. In der Moby-App kann man nachschauen, ob der Supermarkt gerade in der Nähe ist und ihn zu einem Parkplatz beordern. Eingecheckt wird dann wieder per App. Ein digitaler Assistent begrüßt die Kunden und steht bei Fragen zu Verfügung. Wird der Warenbestand knapp, fährt der Laden selbstständig ins Lager.

Ganz selbstständig ist arbeitet der Store noch nicht. Die Rechtslage für selbstfahrende Systeme in Shanghai ist unsicher, die Technik noch nicht ausgefeilt. Daher wird er aktuell noch ferngesteuert. Allerdings planen die Entwickler, dass MobyMart bald gänzlich autonom navigiert. Ebenso könnte die zukünftige Variante auch Drohnen an Bord haben, um Lieferungen durchzuführen.

Von Amazon Go, BingoBox bis hin zum Tao Café

Die Schlagzeilen um Stores ohne Verkaufspersonal brechen dieser Tage nicht ab. Amazon steht mit Amazon Go in den Startlöchern. Hier müssten Kunden noch nicht mal ihre Produkte selbst einscannen, um sie zu bezahlen. Sie werden einfach beim Verlassen des Geschäfts durch eine Registrierschleuse erfasst und automatisch in Rechnung gestellt. Allerdings können aktuell nicht mehr als 20 Personen gleichzeitig den Service nutzen. Daher verschiebt der Internetgigant den Livegang nun bereits seit Mitte des letzten Jahres.

Die japanischen Convenience-Stores Lawson und 7-Eleven testen aktuell ebenfalls ein ähnliches Konzept. Der französische Supermarktbetreiber Auchan launchte im Mai dieses Jahres die BingoBox in Shanghai und der chinesisches Snack-Hersteller Wahaha eröffnete fünf solcher stationären Stores im Juni in Hangzhou. Auch Alibaba hat Anfang Juli mit dem Tao Café nachgezogen. Das chinesische System setzt zusätzlich auf Gesichtserkennung, um festzustellen, ob lediglich registrierte Nutzer den Store betreten und die Waren im vollen Umfang bezahlen.

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Quelle: Alibaba

Zukunftsperspektive für den ländlichen Raum? Eher kaum …

Mit der Entwicklung von MobyMart oder BingoBox wollen die Hersteller vor allem die ländliche Versorgung verbessern. Beide Experten sind sich jedoch einig, dass dies mit den jetzigen technischen Voraussetzungen nicht umsetzbar sein wird: „Gerade im ländlichen Raum leben viele ältere Menschen, die Beratung oder Unterstützung beim Einkauf benötigen oder nicht besonders gut mit Technik vertraut sind. Wenn unbemannte Stores auf dem Land erfolgreich eingesetzt werden sollen, müssen sie so simpel funktionieren, dass der Einkäufer lediglich technische Grundkenntnisse benötigt“, erläutert Seitz. Darüber hinaus betont Trendforscher Wippermann: „Die Idee der Stores ist, dass der Kunde sich immer im Datennetz des Anbieters befindet. Neben dem Service will dieser natürlich auch Daten sammeln. Die Überlegung einen Hotspot des täglichen Bedarfs zu installieren, ist daher in erster Linie zugeschnitten auf junge Großstädter, die rund um die Uhr mobil erreichbar sind.“ 

Alle genannten Lösungen befinden sich aktuell noch in der Experimentierphase. Alltagstauglich werden diese Lösungen jedoch erst in einigen Jahren sein. Eingesetzt werden sie dann auch eher in technikaffinen Ländern wie den USA, China, Südkorea oder Schweden. Die typisch „deutsche“ Skepsis gegenüber Automatisierungslösungen sowie die Anpassungsträgheit gegenüber Selbstbedienungskassen oder mobilen Bezahlverfahren wird dazu führen, dass unbemannte Stores sich in Deutschland in naher Zukunft nicht so schnell durchsetzen werden.

Autor: Melanie Günther, iXtenso

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