Automatisch. Praktisch. Gut?
Interview mit Alexander Eissing, Geschäftsführer der Livello GmbH, über moderne Verkaufsautomaten und ihre branchenübergreifende Zukunft
Verkaufsautomaten sind ein gewohnter Anblick an Flughäfen, Bahnhöfen, in Krankenhäusern und vielen anderen Einrichtungen. Doch Verkaufsautomat ist nicht gleich Verkaufsautomat. Denn viele der älteren Modelle eigenen sich nicht dafür, den heutigen Anforderungen sowohl von Händler*innen als auch von Kund*innen gerecht zu werden. Wir haben deshalb mit Alexander Eissing, Geschäftsführer der Livello GmbH, über die innovativen Automaten-Lösungen des Düsseldorfer Unternehmens gesprochen.
Herr Eissing, wie würden Sie das Kerngeschäft und die Kernkompetenzen der Livello GmbH zusammenfassen?
Die Livello GmbH ist ein Food- und Tech-Startup mit dem Ziel, frisches Essen und andere Dinge des täglichen Bedarfs an jedem Ort und jederzeit verfügbar zu machen.
Dafür entwickeln wir die Zukunft des autonomen Retails und bauen automatisierte kleine Smart-Stores und Kühlschränke, die in den Bereichen Handel, Catering und Gastronomie überall aufgestellt und betrieben werden können. Damit bieten wir einen neuen physischen Kanal im Retail, der genau dort aufgestellt werden kann, wo Menschen ihre meiste Zeit verbringen, direkt am Ort des Konsums.
Unser System bietet ein reibungsloses Grab&Go-Einkaufserlebnis ohne Warteschlange an einer Kasse, denn entnommene Produkte werden automatisch erkannt und abgerechnet. Damit generieren wir außerdem viele wertvolle Daten und Einblicke in das Kaufverhalten, um die Nachfrage vorherzusagen und um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.
Die Livello GmbH ist in Livello Technologies und Livello Catering unterteilt. Wie unterscheiden sich diese beiden Zweige voneinander?
Livello Technologies entwickelt das technische System und bietet unsere Smart-Kiosks als White-Label-Lösung an. Die Livello Catering bietet eine Food-Plattform und ein Partnernetzwerk, die es ermöglichen, fast europaweit Interessenten mit Lieferanten zu verknüpfen. Zum Beispiel haben wir in Europa die Situation, dass über 80 % aller Unternehmen keine gesunde oder regelmäßige Verpflegungsmöglichkeit bei der Arbeit haben, die aber eine praktische, günstige und innovative Verpflegungslösung suchen. Diese Anfragen leiten wir weiter an unsere White-Label-Kund*innen und Partner*innen, die unsere Smart-Kiosks dort betreiben und mehrmals die Woche mit frischen und leckeren “ready-to-eat” und “to-go” Produkten befüllen.
Was unterscheidet einen modernen Verkaufsautomaten vom Großteil der älteren Automaten, die man aktuell an Bahnhöfen und Flughäfen findet?
Die klassischen Snackautomaten sind ideal, um Zucker, Salz und Fett zu verkaufen, jedoch eignen sich diese nicht, um modernes, gesundes und frisches Essen zu verkaufen. Obwohl Automaten aktuell eine hohe Nachfrage erhalten, sind sie aber oft nicht mehr zeitgemäß. Livello ermöglicht mit einem "Smart-Kiosk"-Kühlschrank ein neues, positives Verkaufs- und Einkaufserlebnis, das nicht nur bedienungsfreundlich, sondern auch komplett autonom abläuft. Unternehmern ermöglicht es neue Verkaufskanäle direkt zur Kundschaft, wo immer eine Verpflegung benötigt wird und ohne die Beschränkung von Öffnungszeiten.
Wir setzten dabei auf digitale und kontaktlose Bezahlmöglichkeiten über NFC-fähige Karten, Smart-Devices sowie Online-Payment über Apps. So kann nicht nur schneller und unkomplizierter, sondern auch hygienischer eingekauft werden. Zudem tragen Apps zur Zufriedenheit und Bindung der Kund*innen bei. Im Gegensatz zu klassischen Spiralautomaten können Kund*innen am Livello Smart-Kiosk durch ein offenes Regalsystem die Produkte wie im Supermarkt selbst wählen und inspizieren, bevor der Einkauf final abgeschlossen wird. Schnell, bequem und ohne Zwang einkaufen sind ausschlaggebende Punkte, die Verbraucher*innen von einem Kauf überzeugt. Denn Nutzer*innen sind auch bereit mehr zu bezahlen, wenn sie sich bei Produkten von der Qualität überzeugen können.
Bislang gestaltete sich die Nachfüllung und Reinigung von Automaten eher mühselig aufgrund der vielen mechanischen Einzelteile und Motorik, die auch häufige Wartungen beanspruchen. Ebenso ist eine Änderung des Sortiments schwer zu konfigurieren und erfordert spezielle Werkzeuge. Beim Livello-Modell ist dies wesentlich unkomplizierter dank flexiblen Ebenen und Flächen. Eine geringe Anzahl an motorischen und mechanischen Elementen verringert auch Wartungsintervalle und Ausfälle. Teile lassen sich dank Plug-and-Play-Komponenten auch von “Nicht-Techniker*innen” einfach austauschen. Zusätzlich kann der Kühlschrank auch ferngesteuert werden, um Fehler schnellstmöglich ohne zusätzliche Techniker-Einsätze vor Ort zu beheben.
Neben der Hardware bieten Sie unter dem Begriff „Livello Cloud Platform“ auch eine eigene Software an. Was tut diese und welche Vorteile bietet sie?
Die Livello „Mission Control“ ist eine SaaS und bietet ein Steuer- und Verwaltungssystem für sämtliche Geschäftsprozesse. Es liefert wertvolle Berichterstattung und Einblicke beim Warenfluss, um das Geschäftsmodell, das Angebot und die Lieferkette an den tatsächlichen Bedarf anzupassen und zu optimieren, sodass die richtigen Waren, zum richtigen Zeitpunkt, an die richtigen Standorte gelangen.
Die Software ermöglicht Einblicke und Auswertungen über:
- Kiosk-Performance und das Kundenverhalten über unbegrenzte Standorte hinweg
- Datenanalyse in Echtzeit-Live-Bestands-, Transaktions- und Abläuferquoten
- Optimierung des Lieferkettenmanagement durch Tools zur Bedarfsprognose und Erfüllungsplanung
- Verwalten und Bearbeiten von Kiosken, Benutzern, Organisationen und Produkten
- Planogramm anpassen, dynamische Preis- und Werbeaktionengestaltung
- Ermöglicht die Firmware-Updates und neue Funktionen über die Cloud
- Fernsteuerung, Problembehebung und vorbeugende Wartung
Welche interessanten Entwicklungen beobachten Sie aktuell auf dem Markt?
Der zugrundeliegende Treiber für die Evolution in der Betriebsverpflegung ist die Digitalisierung und die ständige Notwendigkeit, sich an die verändernden Kundenbedürfnisse anzupassen. Dadurch sehen wir gerade eine zunehmende Überschneidung der unterschiedlichen Branchen: Vending, Retail, Catering und Lieferdienste. Die neuesten Technologien ermöglichen es, eine Kantine oder einen Supermarkt in einen „begehbaren Automaten“ zu verwandeln, der keine Kassierer*innen mehr benötigt. Dies öffnet für Dienstleistende die Türen, um in komplett neue Märkte einzusteigen.
Die steigende Nachfrage nach Convenience, gesundem nachhaltigen Essen, ständiger Warenverfügbarkeit sowie Produktnähe sind unaufhaltsame Trends. Durch den Einsatz neuer IoT-Technologien wird mithilfe von Datenerhebung das Shopping-Verhalten, Marketing, Sortiment und die Supply Chain analysiert und automatisiert. Besonders durch Corona wurde die Digitalisierung beschleunigt: Drei von vier Europäer*innen bezahlen seit der Pandemie lieber bargeldlos, kontaktlos und digital. 81 % der Deutschen sind bereit, einen Self-Checkout zu nutzen und 74 % würden Produkte in einem unbemannten Laden kaufen. Ganz ohne Personal, physische Kassensystemen oder Schlangestehen.
Welche Voraussetzungen müssen Händler*innen erfüllen, um Ihre Lösungen nutzen zu können?
Wir haben eine bunte Bandbreite an Kund*innen aus großen Konzernen (Retailer, Caterer, Facility Manager) bis hin zu kleineren Restaurant- oder Hotelbetreiber*innen, die einen neuen Verkaufskanal aufbauen oder eine innovative Verpflegungslösung anbieten möchten. Wir versuchen alle nötigen Software- und Hardware-Tools sowie Unterstützung für die Betriebsprozesse bis zur Sortimentsauswahl zu bieten, um es allen Menschen zu ermöglichen, eigene Smart-Kiosks erfolgreich zu betreiben. Es hilft, wenn Betreiber*innen bereits Erfahrung mit Lebensmitteln und HAACP haben sowie die Möglichkeit haben, kühlpflichtige Produkte an verschiedene Standorte zu transportieren.
Ein Blick in die Zukunft: Denken Sie, dass automatisierte Systeme weiter Aufgaben übernehmen werden, oder ist am Ende ein*e menschlicher Gesprächspartner*in im Geschäft unersetzbar?
Ich bezweifle nicht, dass sich automatisierte Grab&Go-Systeme langfristig flächendeckend durchsetzen werden, besonders in Zeiten von hohen Fachkräftemängeln. Die Umsetzung wird aber einige Jahre dauern aufgrund der frühen KI-Technologiereife, hohe Investitionskosten für Early-Adopters und besonders aufgrund der Hürde durch Veränderungsprozesse innerhalb der Unternehmen. Der menschliche Gesprächspartner wird in der Zukunft immer noch eine bedeutende Rolle spielen, die Aufgaben werden sich aber mehr auf Kundenservice fokussieren, sodass redundante Aufgaben bezogen auf Checkout, Warenwirtschaft, Inventur oder Logistik immer weiter automatisiert werden.