Fallstudie: "Richtung Endstation? Wohin Manager den Handel führen"

6 Missstände im Management und wie sich diese auf Handelsunternehmen auswirken

Nahaufnahme eines Geschäftsmanns der in seiner Hand einen kleinen...
Quelle: PantherMedia / Andriy Popov

Wo steht der Handel? Und an welchen Stellschrauben können Handelsunternehmen drehen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben?

Begleitet vom Deutschen Institut für Marketing analysierte Sickel & Team 61 Kund:innen und 93 Projekte aus den Jahren 2015 bis 2021. Der entstandene Report "Richtung Endstation? Wohin Manager den Handel fürhen" zeigt auf, dass viele Missstände des Handels auf der Managementebene entstehen.

Handelsunternehmen fokussieren sich nur auf den Umsatz und vernachlässigen Bereiche wie Unternehmenswerte, Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterbindung. Diese qualitativen Werte wirken sich jedoch langfristig ebenfalls auf den Umsatz aus. Ein Prozess, den viele Handelsunternehmen mittlerweile nur noch schwer aufhalten können.

Sechs Missstände im Handel und wie diese sich auf die Unternehmen auswirken, sind in dieser Meldung zusammengefasst.

1. Unternehmenswerte und Kundenerlebnisse fehlen

Bei nur 29 % der analysierten Handelsunternehmen hat die Geschäftsführung Unternehmenswerte definiert und lebt diese vor. Sogar nur 17 % haben einen oder mehrere USPs definiert und diese den Mitarbeitenden kommuniziert.

So verwundert es nicht, dass nur 16 % der Mitarbeitenden im Verkauf die Unternehmensziele kennen und ihr Handeln danach ausrichten. Und auch nur 33 % der Führungskräfte geben an, die Vorgaben der Geschäftsführung hinsichtlich Strategie und Unternehmenswerte jederzeit vorzuleben und sich mit ihnen zu identifizieren.

Werden Unternehmenswerte jedoch nicht gelebt oder fehlen sie vollständig, schwächt dies die DNA der Handelsunternehmen. Den Mitarbeitenden fehlt die Orientierung und Handelsunternehmen tun sich schwer, zu ihren Werten passende Kundenerlebnisse zu entwickeln. Tatsächlich haben nur 14 % der Unternehmen ein zu den Unternehmenswerten und USPs passendes Kundenerlebnis.

Die fehlende Orientierung führt zu einer hohen Fluktuation bei den Mitarbeitenden, während fehlende Kundenerlebnisse Handelsunternehmen für Kund*innen austauschbar machen. Sie wandern ab und der Umsatz sinkt.

2. Mitarbeitende im Verkauf sind nur „Mittel zum Zweck“

Die meisten Handelsunternehmen sind rein umsatzgetrieben und der Druck auf die Mitarbeitenden im Verkauf ist sehr hoch. Zwar gibt es in mehr als der Hälfte der betrachteten Unternehmen (53%) einen definierten Onboarding-Prozess und Einarbeitungspläne sowie meist auch Schulungen zur Sicherstellung der Qualität der Einarbeitung (48 %). Aber das Management verliert nach und nach den direkten Kontakt mit den Mitarbeitenden im Verkauf und die Prozesse werden weniger beobachtet und nachgesteuert.

Nur ein Viertel der Mitarbeitenden im Verkauf (25 %) kennt die eigenen Stärken und Schwächen, u.a. auf Basis von Feedbackgesprächen und nur 23% haben die Möglichkeit, kontinuierlich an ihren Stärken und Schwächen zu arbeiten. So werden Potentiale nicht ausgeschöpft und nur knapp die Hälfte der Mitarbeitenden im Verkauf (48 %) identifiziert sich mit dem jeweiligen Unternehmen. Dies fällt jedoch oft nicht auf, da nur 23 % der Handelsunternehmen regelmäßig die Mitarbeiterzufriedenheit erheben und die Geschäftsführung daraufhin Maßnahmen zur Verbesserung initiiert.

Die entstehende Unzufriedenheit bei den Mitarbeitenden führt zu einer hohen Fluktuation, die nicht nur hohe Kosten mit sich bringt, sondern auch die Kundenbindung schwächt. Doch solange der Umsatz stimmt, wird nichts unternommen.

3. Die Kundenzufriedenheit steht an zweiter Stelle

Nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit, auch die Kundenzufriedenheit spielt in vielen Fällen eine untergeordnete Rolle: In nur 36 % der analysierten Handelsunternehmen wird die Kundenzufriedenheit regelmäßig gemessen und auf dieser Basis entsprechende Maßnahmen zur Optimierung umgesetzt.

Als Hauptgrund werden Kostengründe angeführt. Häufig entsteht jedoch der Eindruck, dass die Geschäftsführungen die Wahrheit gar nicht wissen wollen. Und auch hier sehen viele Unternehmen erst Handlungsbedarf, wenn der Umsatz nicht mehr stimmt. Dann ist es jedoch oftmals schon zu spät und der stetig sinkende Umsatz bedroht die Existenz des Handelsunternehmens.

4. Den Mitarbeitenden im Verkauf fehlen Zeit und klare Vorgaben

Die meisten Verkäufer:innen arbeiten gerne im direkten Kundenkontakt, doch ihnen fehlt die Zeit. Sie sind nicht nur für die Kundschaft verantwortlich, sondern auch für die Produktpräsentation, das Geschäftslokal sowie häufig für gänzlich verkaufsfremde Aufgaben. So bleiben für die Arbeit mit und an der Kundschaft sowie eine gute Verkaufsberatung häufig keine Zeit.

Tatsächlich kennen nur 34 % der Mitarbeitenden im Verkauf die konkreten Erwartungen, die von Kundenseite an sie herangetragen werden. Nur 16 % fokussieren die Kund:innen zu jeder Zeit und nur 38 % beraten die Kund:innen individuell und gehen stets auf ihre Wünsche ein.

Hinzu kommt, dass durch die fehlende Unternehmenswerte, den Mitarbeitenden im Verkauf die Leitplanken fehlen. Häufig wird einfach nach „Schema F“ verkauft und es stellt sich ein Routineverhalten ein. Von der Geschäftsführung wird zwar gefordert, dass die Kundschaft im Fokus stehen soll, doch den Verkaufenden werden keine Tools an die Hand gegeben, um dieses Ziel neben all den anderen Aufgaben umzusetzen. Gleichzeitig bleibt der hohe Druck, genügend Umsatz zu machen und dadurch den Unternehmenserfolg zu stützen.

Mittelfristig entwickelt sich ein eher „kopfloses“ Handeln der Verkaufenden. Prioritäten im Verkauf werden gar nicht oder falsch gesetzt, es fehlt an Struktur und Einheitlichkeit. Kund:innen wandern ab und der Umsatz sinkt.

5. Qualität ist kein Messwert in Handelsunternehmen

Nicht nur die Mitarbeitenden im Verkauf, sondern auch die übergeordneten Führungskräfte werden rein am Umsatz der Handelsunternehmen gemessen. Die Geschäftsführungen gehen zu häufig davon aus, dass ein hoher Umsatz automatisch auch hohe Qualität bedeutet.

Nur 33 % der Geschäftsführungen führen regelmäßig ein Zielmanagement mit ihren Führungskräften durch: Dieses liegt jedoch in großen Teilen auf der Quantität im Vertrieb statt auf der Qualität. Doch gerade der Qualitätsaspekt ist wichtig, um eine kongruente Idee von Qualität und Werten aufzubauen. Jedoch geben nur 31 % der Führungskräfte geben an, über Tools zum Qualitäts- und Zielmanagement im Verkauf zu verfügen.

Ursachen hierfür liegen oftmals auf Seiten der Unternehmen, da diese schlichtweg keine Tools und Umsetzungsprozesse zur Verfügung stellen oder es den Führungskräften selbst überlassen, wie sie die Umsetzung vorantreiben.

6. Führungskräfte haben kein klares Rollenverständnis

Führungskompetenzen liegen nicht nur darin liegen, Umsatzziele zu fokussieren und besonders viele Conversions zu gewährleisten. Doch den meisten Führungskräften in Handelsunternehmen ist nicht klar, was genau ihre Aufgaben sind: Nur 21 % verfügen über ein klares und scharfes Rollenbild!

Dies liegt vor allem an den unklaren Vorgaben und der Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung: In nur knapp der Hälfte der analysierten Unternehmen (51 %) vermittelt die Geschäftsführung den Führungskräften ein klares Bild über die Unternehmensziele, Erwartungen und die Unternehmenskultur – die Basis für ein erfolgreiches Handeln und der Erreichung strategischer Ziele. Und nur 29 % der Führungskräfte tauschen sich regelmäßig mit der Geschäftsführung aus, um aktuelle Entwicklungen und strategische Richtungen zu erörtern.

Ähnlich wie bei den Mitarbeitenden im Verkauf fehlen den Führungskräften klare Leitplanken durch Unternehmenswerte sowie die Zeit, um diese umzusetzen. So haben nur 18 % der Führungskräfte ausreichend Zeit, um die von der Geschäftsführung vorgegebenen Ziele und Verkaufsqualität zu messen und nur 17 % besitzen und nutzen Instrumente, um die Leistung der Mitarbeitenden im Verkauf objektiv beurteilen zu können.

Auch hier ist es problematisch, dass Erfolg nur an den Umsatz gebunden wird. Führungskräfte, die nur darauf bedacht sind, den Umsatz zu maximieren, konzentrieren sich weniger auf den Kundennutzen, USPs und relevante Führungsqualitäten. Dabei ist es die Hauptaufgabe von Führungskräften das Personal zu führen, Unternehmenswerte zu leben und diese weiterzugeben.

Quelle: Sickel & Team

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