Bericht • 31.07.2012
Gender Marketing: Produkte für Männer, Lösungen für Frauen
Nichts ist schlimmer als ein „Frauenauto“. Die Hersteller scheuen den Begriff wie der Teufel das Weihwasser.
Nichts ist schlimmer als ein „Frauenauto“. Die Hersteller scheuen den Begriff wie der Teufel das Weihwasser. Damit werden Männer abgeschreckt, fürchten sie. Dennoch verführen nicht nur die Autobauer Frauen gezielt zum Kaufen. Dahinter steckt Gender Marketing – die bewusst abgestimmte Kommunikation auf die Unterschiede zwischen Mann und Frau.
Frauen sind eine wichtige Käufergruppe. Sie treffen die meisten Kaufentscheidungen bei Lebensmitteln, sie prägen die Gestaltung des Zuhauses und sie verfügen über immer mehr Einkommen. Männer fragen nicht nach dem Weg und Frauen können nicht einparken – es gibt viele Vorurteile über Männer und Frauen. Manches hat einen durchaus wahren Kern. Gut, wenn man als Händler darauf Rücksicht nimmt. Wer ist die Zielgruppe? Je nachdem, ob Männer oder Frauen überwiegen, sollten Ladengestaltung und Marketing überprüft werden.
Die klassischen Abgrenzungen funktionieren freilich nicht mehr. Männer haben das Kochen entdeckt und Frauen interessieren sich für Technik. Doch auch dabei gibt es Unterschiede: Männer wollen beim Kochen modernste Geräte, auch wenn diese sich, rational gesehen, kaum rentieren – angesichts nur gelegentlicher Kochabende im Freundeskreis. Frauen kaufen Technik nicht als Statussymbol, sondern wegen des praktischen Nutzens. Große Wachstumsraten verzeichnen Pflegeprodukte für Männer, während im Frauenmarkt mit riesigen Werbe-Etats nur geringe Wirkung erzielt wird.
Frauen sind wichtig beim Autokauf
Rund ein Drittel aller Pkw-Halter ist weiblich, Tendenz steigend. Und da viele von Frauen gefahrene Zweitwagen auf den Ehepartner angemeldet sind, liegt die Frauenquote in Wahrheit noch viel höher. Frauen fahren die Wagen nicht nur, sie prägen auch die Kaufentscheidung. Daher haben die Hersteller Frauen als Zielgruppe im Blick – aber offen zugeben wollen sie das nicht.
Hat ein Auto das Image, ein „Frauenauto“ zu sein, droht es zu floppen. „Tatsächlich ist es so, dass Frauen bereitwilliger Männerprodukte kaufen, Männer aber niemals Frauenprodukte““, sagt Diana Jaffé, Expertin für Gender Marketing, im iXtenso-Interview. Sie weiß aus Erfahrung: „Frauen kaufen in der Tat Frauenautos.“ Aber diese Autos dürfen nicht als Frauenauto vermarktet werden.
Die Autobauer freuen sich derzeit über glänzende Absatzzahlen bei den Sport Utility Vehicles (SUV). Bei Frauen werden die Gelände-Limousinen immer beliebter. Die Amerikaner prägten den Begriff der „Hockey Mom“, der gut betuchten Mutter, die ihre Kinder mitsamt Ausrüstung nachmittags zu den verschiedenen Freizeitaktivitäten fährt und die Einkäufe erledigt. Französische Hersteller mit ihren praktischen Kleinwagen für die Stadt gelten als Frauen-Versteher. Das Kindchenschema, runde Kulleraugen, sprich: Scheinwerfer, „niedliche“, klein-rundliche Form – das spricht das Unterbewusstsein von Frauen besonders an.
Immer mehr Heimwerkerinnen
Heimwerken galt lange als Domäne der Männer, doch inzwischen werden die Frauen selbstbewusster. Sie wollen nicht mehr von männlicher Hilfe bei Reparaturen und Verschönerungen in Haus und Garten abhängig sein, sagt Bosch-Sprecherin Julia Anne Schneider im iXtenso-Inteview zum Thema Gender Marketing. Bohrmaschinen und Heckenscheren seien durch neue Akkus leichter und handlicher geworden. „Das spricht Männer und Frauen gleichermaßen an“. Bosch werbe gezielt auch in Frauenmagazinen und mit einer Bildsprache, die Frauen ansprechen soll.
Zum Thema Frauen und Heimwerken hat Bosch im Herbst 2010 eine GfK-Umfrage durchführen lassen. Befragt wurden 3.000 Frauen im Alter ab 20 Jahren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Mehr als 80 Prozent der Befragten führen Arbeiten in Haus und Garten eigenständig durch. 43 Prozent der Frauen ist es besonders wichtig, kleine Reparaturen im Haushalt selbst erledigen zu können – das ist ihnen wichtiger, als einen perfekten Haushalt zu führen (41 Prozent). Das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten wächst. So wagt sich jede dritte Frau auch an anspruchsvolle Projekte, etwa Möbel aufbauen, abschleifen oder restaurieren.
„Die Tendenz zu mehr Eigeninitiative spiegelt zugleich aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen wie die steigende Anzahl von Single-Haushalten oder die finanzielle Selbständigkeit von Frauen wider“, heißt es in der Zusammenfassung der Umfrage-Ergebnisse. Doch der Handel hat darauf noch nicht ausreichend reagiert, kritisiert Diana Jaffé. Baumärkte seien noch immer dominiert von männlicher Sichtweise.
Männer, sagt Jaffé, sind „Produkt-zentriert“. Für sie ist die im Baumarkt übliche Präsentation in Warenregalen sinnvoll. Frauen hingegen sind „Menschen-zentriert“. „Sie wollen den Nutzen erkennen, den ein Produkt für sie oder ihre Angehörigen oder Freunde hat.“ Ihr Tipp: „Baumärkte können Kundinnen nicht nur durch Tapezierkurse locken, sondern durch ein größeres Verständnis davon, wie Frauen denken und was sie tun wollen. Sie empfiehlt „Themenwelten wie in den Wohnzeitschriften“. Der Handel müsse zeigen, was zusammen passt. „Es reicht nicht, ein paar Rollen Tapeten in einer Sonderplatzierung neben einen Eimer Farbe zu stellen.“ Das Ambiente von Geschäften sei für Frauen sehr wichtig. „Menschen kaufen nur dort viel, wo sie sich länger aufhalten. Nur wer sich wohlfühlt, greift tiefer ins Portemonnaie.“ Umgekehrt fühlen Männer sich unwohl in der Drogerie oder im Kaufhaus.
Marketing für spezielle Zielgruppen
Gender Marketing kann jedoch mehr sein als Marketing für Männer und Frauen. Auch innerhalb der Geschlechter kann man differenzieren. In Köln gibt es seit fünf Jahren ein erfolgreiches Frauenfitness-Studio – speziell für Musliminnen. Bei „Hayat“ trainieren Frauen aus der Türkei oder aus Nordafrika, auch deutsche Frauen kommen. Musliminnen können hier auch ohne Kopftuch trainieren, für die Sauna gibt es Tücher zum Umbinden. Gründerin Emine Aydemir spricht damit auch Frauen an, die sonst daheim isoliert sind. Im Fernsehen erklärt sie gern ihre Geschäftsidee. Die Marktlücke ist freilich klein, nur in bestimmten Großstadtvierteln ausreichend. Dem DSSV, Verband der Studio-Betreiber, ist jedoch kein vergleichbarer Betrieb bekannt.
In Hamburg hat sich ein Friseursalon auf Männer als Zielgruppe festgelegt – obwohl Frauen viel öfter zum Friseur gehen. „Whistler“ nennt sich der Laden, der eher eine Lounge als ein Salon sein will, und mit dem Namen an das US-Männermagazin „Hustler“ erinnert. Auch hier hat man sich Gedanken gemacht, was die Zielgruppe will, was Männer in den üblichen Geschäften vermissen: Die Damen schneiden in kurzen Röcken, statt „Gala“ gibt es den „Playboy“ und auf Großbildschirmen laufen Sportsendungen.
Mit Werbung in einem Schwulenmagazin wollte General Motors die Umsätze seines Volt ankurbeln. Aus der Anzeige für 750 Dollar wurde ein riesiger Erfolg. Die Zielgruppe ist Dank Internet gut vernetzt, die Aktion wurde gern gepostet. Und das Internet hilft auch im Massenmarkt, wenn es um die Frage geht, was Männer und Frauen kaufen wollen. In Foren und Blogs geben sich die Nutzer – und Nutzerinnen – bereitwillig Tipps – eine Fundgrube für Hersteller und Handel.
René Schellbach, iXtenso.com
Linktipp
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