Wie kaum ein anderes Ereignis zuvor hat die Pandemie dem Einzelhandel gezeigt, wie wichtig eine funktionierende Personaleinsatzplanung ist. Ausfälle durch Krankheit oder Quarantäne und eine dadurch entstehende Mehrbelastung für die im Geschäft verbleibenden Mitarbeiter*innen kommen immer häufiger vor und können gleich mehrere Mitarbeiter*innen zur gleichen Zeit betreffen.
Ein Weg, um solche Probleme so gut es geht zu vermeiden, ist die Automatisierung und die Nutzung von künstlicher Intelligenz in der Personaleinsatzplanung. Wir haben mit Maximilian Thost, Country Manager DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) bei Quinyx, darüber gesprochen.
Herr Thost, Sie sprechen von aktuellen Herausforderungen in der Retail-Branche. Wie ist die Personalsituation im Einzelhandel gerade?
Maximilian Thost: Die fortschreitende Digitalisierung birgt für die Einzelhandelsbranche gewaltige Chancen und ebenso große Herausforderungen. Die Personalsituation in Deutschland ist angespannt, das gilt in den Filialen, aber auch in der Verwaltung und der Logistik. Laut unserer eigenen aktuellen Studie haben 50 Prozent der Frontline-Mitarbeiter*innen im DACH-Raum aus dem Bereich Einzelhandel im letzten Jahr daran gedacht zu kündigen. 70 Prozent der Befragten sind zuversichtlich, aufgrund ihrer entsprechenden Fähigkeiten unkompliziert einen anderen Arbeitgebenden zu finden. Das macht die Dringlichkeit für Unternehmen deutlich, im Rahmen ihrer Digitalisierung den Fokus verstärkt auf Personalthemen – und damit auf HR-Software (Human Ressources) und Task Management – zu legen.
Denn der derzeitige Arbeitskräftemangel hierzulande ist nicht nur für Arbeitgebende ein Problem – er wirkt sich direkt auf die gesamte Belegschaft aus. Vor allem stundenweise beschäftigte Mitarbeiter*innen müssen oft härter und nach strikteren Schichtplänen arbeiten, um den Mangel an Arbeitskräften auszugleichen. Doch spätestens beim Thema Kundenservice – und dem potenziellen Risiko, dass dieser leiden könnte – horcht die Einzelhandelsbranche auf.
Welchen Einfluss hat die Pandemie auf die Personaleinsatzplanung?
Maximilian Thost: Die Pandemie hat einerseits den Trend zur Digitalisierung beschleunigt und andererseits die menschliche Seite unseres Ökosystems stärker zum Vorschein treten lassen: Seit Corona ist für viele Arbeitnehmer*innen aus allen Branchen klar, dass Flexibilität kein zusätzlicher Benefit ist, sondern auf der Liste der essenziellen Job-Voraussetzungen ganz weit oben steht. Gerade im Einzelhandel können Beschäftigte nicht einfach ins Homeoffice wechseln – bei erhöhten Krankenständen oder wenn Angestellte sich ungeplant in Quarantäne begeben müssen, ist von Unternehmen Flexibilität gefragt, um die verbliebenen Beschäftigten nicht zu überlasten.
Zudem stieg in vielen Geschäften durch strengere Hygiene- oder Einlassverordnungen die Arbeitsbelastung. Plant die Schichtleitung die Einsatzzeiten der Mitarbeiter*innen manuell, beispielsweise per Excel, kostet das viel Zeit. Wenn dann in letzter Minute aufgrund eines Krankheitsfalls die Schicht umgeplant werden muss, liegen bei Personalplaner*innen die Nerven blank. Durch eine Lösung, die z. B. im Krankheitsfall automatisiert Vorschläge macht, wird viel Zeit gespart und werden die Nerven geschont.
Welche Bedürfnisse und Probleme stehen bei den Mitarbeiter*innen an oberster Stelle?
Maximilian Thost: Der Trend geht ganz klar zu mehr Mitbestimmung und Mitspracherecht bei der Gestaltung der eigenen Arbeit – das gilt im Einzelhandel genauso wie in allen anderen Branchen, im White- wie im Blue Collar-Bereich. Zusammen mit der Freude an der Tätigkeit selbst, einem gesunden Arbeitsklima sowie einer gerechten Entlohnung ist dies laut unserer Studie zugleich Wunsch und Bedürfnis der Arbeitnehmer*innen und der klare Auftrag an die Arbeitgeber*innen.
Vor welchen Herausforderungen stehen die Personalplaner*innen im Einzelhandel?
Maximilian Thost: Personalplaner*innen müssen sicherstellen, dass immer die richtigen Mitarbeitenden zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, um die Servicequalität und damit die Zufriedenheit ihrer Kund*innen stets auf höchstem Niveau zu halten. Gleichzeitig müssen sie ihre wichtigste Ressource, die Mitarbeiter*innen, fördern und an das Unternehmen binden, und eventuell auch neue rekrutieren.
Dafür müssen sie am Puls der Zeit sein und sich auch auf die veränderten Ansprüche an eine reibungslose und transparente Kommunikation, die das Personal schneller miteinbezieht, einstellen. Das alles kann aber nur gelingen, wenn die Personal-/Schicht-/Dienstplanung und alle damit zusammenhängenden Prozesse in diesem Geiste digitalisiert werden.
Was raten Sie Personalplaner*innen in Bezug auf den Umgang mit und die Einsatzplanung von Mitarbeiter*innen?
Maximilian Thost: Ganz klar: Automatisierung anstelle von manueller Planung, davon profitieren alle Beteiligten. Noch besser ist ein übergreifendes System, das nicht nur die Einsatzplanung, sondern auch die Zeiterfassung über eine App abdeckt und den Mitarbeiter*innen durch bestimmte Funktionen, wie der Angabe der eigenen Verfügbarkeit, mehr Freiheiten bietet.
Denn damit wird gewährleistet, dass sich Mitarbeiter*innen direkt in die Personalplanung mit einbringen können und diese wiederum automatisch Rücksicht auf individuelle Bedürfnisse nimmt. Dazu gehören dann auch erweiterte Analysetools, um zwischen Filialen zu vergleichen und schneller handeln zu können, wenn ein Engpass entsteht.
Sie sprechen von künstlicher Intelligenz als Hilfe in der Personalplanung. Wie genau kann diese Hilfe aussehen?
Maximilian Thost: Automatisierung ist der erste Schritt, sie hilft Einzelhandelsunternehmen beispielsweise dabei, die Präferenzen der Mitarbeiter*innen zu berücksichtigen, Personallücken zu schließen und die Compliance einzuhalten. Wer automatisiert, spart Zeit und steigert die Effizienz der Prozesse sofort.
Künstliche Intelligenz kommt dann – als nächste Stufe – vor allem bei der Personalbedarfsplanung ins Spiel: Historische Daten aus dem Unternehmen werden gesammelt und analysiert. Die eingesetzten Algorithmen erstellen daraus Prognosen für die kurz- und langfristige Zukunft, und basierend darauf kann die Personalsituation besser geplant werden: Wie viele Mitarbeiter*innen muss ich einstellen, wie viele muss ich wann und für welche Situation einplanen?
Besonders spannend wird es, wenn Personaleinsatzplaner*innen „Was-wäre-wenn-Szenarien” berechnen müssen, etwa eine neue Pandemie-Welle, bei der viele Mitarbeiter*innen auf einmal ausfallen könnten. An dieser Stelle können auch öffentlich zugängliche Daten eingespeist werden, die beispielsweise die Wahrscheinlichkeit eines krankheitsbedingten Ausfalls berechnen.
Welche Technologien sind erforderlich, um mittels KI die Planung zu unterstützen?
Maximilian Thost: Die Integration in ein bestehendes Tech Stack ist tatsächlich unkompliziert. Unsere KI-Lösungen lassen sich nahtlos in die meisten gängigen Workforce-Management-Systeme einbinden und können auch unternehmensspezifische Integrationen unterstützen. Ob es um die Möglichkeit geht, Daten automatisiert in die Gehaltsabrechnung einfließen zu lassen oder eine Verbindung zu anderen internen Anwendungen über REST- und SOAP-APIs herzustellen, all das lässt sich mit Schnittstellen umsetzen.
Auf diese Weise können Zahlen vom POS in die KI einfließen, etwa die Artikel pro Transaktion, historische Umsätze, Besucherzahlen/Footfall oder Personalbudgets. Aber auch externe Faktoren, die einen Einfluss auf die Personalsituation haben könnten, z. B. besondere Events wie Fußballweltmeisterschaften oder Halloween und ebenso Wetterdaten, können für Prognosen mit einbezogen werden.
Welche Investitionskosten kommen dabei auf Händler*innen zu?
Maximilian Thost: Nach den Projektkosten für die Implementierung werden, wie für SaaS-Lösungen üblich, jährlich wiederkehrende Gebühren in Abhängigkeit von den gewählten Modulen, der Anzahl der zu planenden User*innen und der Vertragslaufzeit fällig.