Selbst ist der Kunde – vor allem an der Kasse. Self-Checkout-Systeme stehen heutzutage hoch im Kurs. Doch leider versteckt sich hier auch oft der Fehlerteufel, der für Händler*innen rote Zahlen hinterlassen kann. Das österreichische Start-up Checklens hat sich der Aufgabe verschrieben, das zu verhindern. Und der Erfolg gibt ihnen Recht.
Für ihre Lösungen haben sie schon zahlreiche – auch internationale – Preise abgeräumt. Zuletzt gab es beim Deutschen Handelskongress 2021 den „Publikumspreis für Newcomer“. Im Interview erzählt Konstantin Heiller, Vice President Sales & Marketing, wie das Unternehmen moderne Checkout-Modelle auf Vordermann bringt – auch für die Kundschaft.
Konstantin, Stichwort „Filial- und Bestandsüberwachung“ – Vor welchen Herausforderungen steht die Branche hier und welche Mankos siehst du?
Konstantin Heiller: Retailer sehen sich heute vor der Herausforderung, dass sie sich technologisch laufend weiter entwickeln müssen, um ihren Kund*innen eine optimale Customer Experience zu bieten. Aus diesem Grund boomen derzeit neue Checkout-Formate, wie Scan & Go, Grab and Go, Selbstbedienungskassen und ähnliches. Bei jenen Einzelhandelsketten, die die neuen Checkout-Formate bereits länger einsetzen, hat sich jedoch gezeigt, dass der Warenschwund in den Filialen gestiegen ist. Offenbar reichen die gängigen Maßnahmen zur Filial- und Bestandsüberwachung hier nicht mehr aus – neue Systeme und Prozesse sind notwendig.
Worauf lässt sich das zurückführen?
Konstantin Heiller: Eine kritische Stelle ist die Selbstbedienungskasse, die sich – nicht zuletzt aufgrund der Pandemie – wachsender Beliebtheit erfreut. Laut EHI hat sich die Anzahl von Geschäften, die SB-Kassen installiert haben, in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Kund*innen schätzen den schnelleren Checkout, weniger Interaktion und damit auch die Reduktion potenziell gefährdender Kontakte mit anderen Kund*innen und Mitarbeiter*innen.
Händler*innen sehen darüber hinaus eine Entlastung für ihr Personal, das sich statt um die Kasse um Regalbestückung, Kundenbetreuung und anderes mehr kümmern kann. Auch wenn die SB-Kassen mit Sicherheitswaagen und durch eine zusätzliche SB-Kassenaufsicht diebstahlsicher scheinen, haben unsere Analysen hunderter Filialen sowie die Erhebungen von Prof. Adrien Beck von der University of Leicester gezeigt: Die Schwundrate an SB-Kassen ist deutlich höher als an traditionellen Kassen.
Eine weitere kritische Stelle ist das Produktregal selbst: Mit der zunehmenden Beliebtheit von Scan&Go-Formaten wird es für Retailer immer unübersichtlicher, ob die Regalentnahmen tatsächlich auch gescannt und abgerechnet werden.
Wie häufig passieren Scan- und Eingabefehler denn im Durchschnitt und was bedeuten sie für Händler*innen und die Kundschaft?
Konstantin Heiller: Unsere Analysen haben gezeigt, dass mindestens bei jeder fünfzigsten Transaktion an einer Selbstbedienungskasse mehr als ein Scanfehler vorkommt. Bei SB-Kassen mit durchschnittlich 300 Transaktionen am Tag macht dies circa sechs Scanfehler täglich aus. Multipliziert man dies mit sechs SB-Kassen einer durchschnittlich großen Filiale und 25 Öffnungstagen, ergibt das rund 900 Scanfehler im Monat bzw. mehr als 10.000 Fehler jährlich.
In Geldwert ausgedrückt bedeutet dies zwischen 20.000 und 60.000 Euro Verlust pro Filiale pro Jahr, abhängig vom durchschnittlichen Verkaufspreis der geführten Produkte. Diese Kosten gehen zu Lasten der Handelsketten und folglich “unfairerweise” zu Lasten jener Kund*innen, die sämtliche ihrer zur Kasse gebrachten Produkte ehrlich scannen und bezahlen.
Wie kann Technologie-Einsatz hier helfen?
Konstantin Heiller: Unser System CheckScan überprüft, ob alle Artikel, die zur SB-Kasse gebracht werden, auch tatsächlich gescannt worden sind. Kund*innen scannen ihre Produkte zwar weiterhin wie gewohnt selbst, doch falls nicht jedes Produkt korrekt und hinsichtlich der jeweiligen Mengen vollzählig gescannt worden ist, erfolgt ein Hinweis auf dem Kassendisplay, den oder die betreffenden Artikel nachzuscannen.
CheckScan arbeitet zwar im Hintergrund, aber weist die Kund*innen darauf hin, wenn ein Artikel falsch oder gar nicht gescannt worden ist und gibt ihnen die Möglichkeit, diesen Fehler selbst auszubessern und damit ihren Warenkorb – und damit zugleich den Warenbestand in der Filiale – selbst zu korrigieren. Die Customer Experience ist viel besser als mit Sicherheitswaagen oder ständigen Überprüfungen der Einkaufstüten durch die Kassenaufsicht.
Ein für alle erkennbarer Alarm wird nur dann ausgegeben, wenn dies tatsächlich nötig wird. Das erleichtert auch den Mitarbeiter*innen die Arbeit enorm, denn der “Nimbus” eines Generalverdachts für alle Kund*innen ist somit passé. Und zusätzlich hilft dieser Technologie-Einsatz den Retailern dabei, Millionen Euro an Schaden zu vermeiden.
Welche Rolle spielen künstliche Intelligenz und Kameras dabei?
Konstantin Heiller: Wir nutzen bewährte CCTV-Kameras – also Videokameras – in Kombination mit unserer speziell in Österreich entwickelten künstlichen Intelligenz, um Produkte zu erkennen und sicher zu stellen, dass sämtliche im Warenkorb enthaltene Produkte richtig gescannt werden. Die Algorithmen unserer künstlichen Intelligenz sind dabei ausschließlich darauf trainiert Produkte zu erkennen, nicht aber Menschen. Die im Erfassungsbereich der Kameras befindlichen Personen werden nämlich automatisch anonymisiert, um ihre visuellen Persönlichkeitsdaten zu schützen. Dafür sind wir mit dem Prädikat “Trustworthy A.I. Technology” vom Austria Wirtschaftsservice ausgezeichnet worden.
Was hat Euch zur Entwicklung Eurer Lösungen inspiriert?
Konstantin Heiller: Retailer sind auf uns zugekommen und fragten, ob wir dabei helfen können, SB-Kassen diebstahlsicherer zu machen. Alte und letztlich unpraktikable Lösungen, wie die schon erwähnten Sicherheitswaagen, hatten für sie nicht ausreichend funktioniert. Deswegen haben wir ein System entwickelt, das auf Standardkomponenten wie CCTV-Kameras zurückgreift, die praktisch jeder Retailer bereits im Einsatz hat. Wichtig für uns ist dabei immer, dass unsere KI keine investigativen Detektivaufgaben übernimmt und damit Menschen überwacht, sondern ausschließlich Produkte samt deren korrekter Erfassung und Zählung erkennt – dies aber absolut zuverlässig.
Wo siehst Du noch weitere (technologische) Trends der Branche?
Konstantin Heiller: Retailer werden bald mit allen Checkout-Formaten umgehen und gleichzeitig auch deren gemischten Einsatz – beispielsweise Scan & Go zusammen mit SB-Kassen – managen können. Darüber hinaus kommen vermehrt KI-Assistenten zum Einsatz, von der Regalverfügbarkeit eines Produktes bis hin zum Erkennen von Betrug in der Checkout-Zone. Gleichzeitig müssen Retailer den Datenschutz proaktiv managen, denn ihre Kund*innen sind auf dieses Thema bereits sensibilisiert.
Ein Händler oder eine Händlerin möchte im Store technisch aufrüsten – Wie helft Ihr?
Konstantin Heiller: In einem ersten Schritt geht es darum, den Händler*innen dabei zu helfen, den Schwund an der Kasse oder in der Filiale genau zu analysieren, und dabei, eine solide Datenbasis herzustellen. Sobald gemessen werden kann, wie hoch der Gewinn durch einen reduzierten Schwund anzusetzen ist, werden die ersten ausgewählten Filialen aufgerüstet, wobei wir die bereits bestehende Infrastruktur – Kassen, Kameras, Server und anderes – so weit wie möglich nutzen.
Damit lassen sich die Investitionskosten geringhalten und der Business Case für den Händler oder die Händlerin kann klar definiert werden. Ist das System dann live und erfüllt es die Erwartungen aller Beteiligten, folgt meist ein nationaler und später ein internationaler Roll-out in vielen Filialen.