Gastbeitrag • 16.08.2021

Digitalisierung der Logistik – Enabler des E-Commerce

Die vielen Aufgaben der Logistiker und ihre Rolle für den Handel

Viele Unternehmen beschäftigen sich derzeit mit den Möglichkeiten des Onlinehandels, da das stationäre Handelsgeschäft deutlich zurückgeht. Doch erfolgreicher E-Commerce beruht nicht nur auf einem funktionierenden und attraktiven Onlineshop, sondern vor allem auf einem leistungsfähigen Logistikprozess. Logistikdienstleister gehen mit innovativen Lösungen voran.

Die zunehmende Verlagerung von Einkaufs- und Konsumverhalten ins Internet stellt besonders die logistischen Prozesse vor neue Herausforderungen. Die Ware sollte schnell, sicher und in attraktiver Verpackung zum versprochenen Termin ankommen, das Retourenmanagement sollte funktionieren, die finanzielle Rückabwicklung und das Beschwerdemanagement zuverlässig erfolgen und vieles mehr. Das alles aus eigener Kraft umzusetzen, überfordert den Handel häufig.

Logistikdienstleistungsunternehmen haben genau dort ihre Kompetenzen – bei komplexen Prozessen. Sie sind schon lange keine „Kistenschieber“ mehr, sondern innovative, leistungsstarke und sehr flexibel handelnde Unternehmen. Doch die wahre Leistungsfähigkeit und vielfältigen Funktionen der Logistik sind in weiten Teilen der Öffentlichkeit zu wenig bekannt.

Eine Frau in schwarzer Kleidung vor einem Baum
Frauke Heistermann ist Sprecherin der Initiative „Die Wirtschaftsmacher“ und Vorsitzende des Rates für Technologie in der Landesregierung Rheinland-Pfalz. Zuvor war sie Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung Logistik e.V. und leitete als Chief Digitalization Officer bei Siemens Logistics die Erstellung und Umsetzung von Digitalisierungsstrategien.
Quelle: Die Wirtschaftsmacher

Die Erinnerungen an leere Nudel-, Mehl- oder Toilettenpapierregale zerstreuen sich langsam. Dennoch hat die Gesellschaft noch deutlich vor Augen, welche Einschränkungen der erste Lockdown nach sich zog, und wie sich diese in einer ersten Reaktion im Kaufverhalten niederschlugen. Der Onlinehandel erfuhr einen enormen Zuwachs an Bestellungen, erstmalig auch in Produktkategorien wie Lebensmittel, Tierbedarf und Drogerieprodukte. Wie der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) im Juli 2020 zeigte, stiegen die Erlöse im ersten Halbjahr 2020 im Onlinebereich um fast 10 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, das gesamte Geschäftsjahr erzielte Rekordeinnahmen von insgesamt 83 Mrd. Euro. 

Herausforderung der Logistik durch E-Commerce-Boom

Zahlreiche Handelsketten, Drogeriemärkte, Textilmarken oder Parfümerien setzen inzwischen auf einen Omnichannel-Ansatz und bilden ihr Produktsortiment nicht mehr nur über den stationären Handel ab. Der Corona-Effekt ist gekommen, um zu bleiben: Wie der bevh im April 2021 bekanntgab, hielt das Wachstum auch im ersten Quartal 2021 an. 

Das hat große Auswirkungen auf den Wirtschaftsbereich Logistik. Ob stationärer Handel oder E-Commerce – die Logistik übernimmt seit jeher eine Vielzahl an Dienstleistungen, ohne die Wirtschaft und Gesellschaft nicht funktionieren würden. Auch in der Pandemie sorgten die Logistikerinnen und Logistiker dafür, dass die Warenströme und Lieferketten aufrechterhalten blieben. Dabei geht es zum einen um fachgerechten Transport, Ladungssicherung und Verpackung. Das sogenannte Fulfillment umfasst zum anderen auch physische Prozesse im Lager wie Wareneingang, Lagerung, Qualitätssicherung, unzählige Mehrwertdienstleistungen wie etwa das Aufbügeln und Veredeln von Textilien, Kommissionierung, Versand etc. Dies wird gesteuert und geplant mit starken digitalen Prozessen und Systemen im Hintergrund.

Dynamisches Mengenwachstum und unvorhersehbare Auftragsspitzen unter anderem durch Marketingmaßnahmen erschweren die Planungen im Lager. Die Prozesse in der Disposition werden jedoch längst nicht mehr mit Tinte auf Papier, sondern mithilfe digitaler Tools geplant, die Ansätze aus dem Machine Learning und Big Data-Management mit Automatisierung verknüpfen. Hiermit kann eine exponentiell wachsende Datenmenge verarbeitet werden, mit der sich die Planung und Steuerung der Logistikprozesse optimieren lässt. Das spart Zeit, ist ressourcenschonender und liefert wiederum eine Menge von Daten, die beispielweise dem Echtzeittracking und der optimierten Tourenplanung dienen.

Auch bei den Lagerprozessen fordert das Wachstum im E-Commerce neue Ansätze und Lösungen. Cloudbasierte Software unterstützt die komplexe Lagerverwaltung: Die intelligente Lageroptimierungssoftware LOS zum Beispiel, die beim mittelständischen Logistikdienstleister Loxxess im Einsatz ist, arbeitet mit Echtzeitdaten und berechnet die benötigten Ressourcen und Einlagerstrategien der Waren mithilfe von künstlicher Intelligenz. So lässt sich nicht nur das volatile Mengenwachstum bewältigen, sondern auch die Laufwege der Mitarbeiter reduzieren. Die Leistungsfähigkeit steigt. 

Ein Logistikarbeiter betrachtet durch eine Scheibe eine Verpackungsmaschine bei...
Maschinen vereinfachen und beschleunigen heute komplexe Verpackungsvorgänge.
Quelle: Loxxess AG

Innovative Lösungen für die Mitarbeitenden

Auch das Personal im Lager profitiert von einer Vielzahl an Lösungen wie zum Beispiel Wearables mit digitaler Verknüpfung in Form von Handscannern oder Datenbrillen. Sie erleichtern die Kommissionierung, indem sie anzeigen, welche Waren zu bearbeiten sind. Die Kommissionierenden erhalten alle relevanten Informationen in Echtzeit auf dem Display der Datenbrille und werden visuell Schritt für Schritt durch jeden Auftrag geführt. Das Ergebnis: eine deutliche Produktivitätssteigerung von bis zu 20 Prozent und ein kontinuierliches Heatmapping für die optimierte Kommissionierreihenfolge. 

Digital gesteuerte Drohnen übernehmen die Inventur, und autonome Stapler und Sortierroboter nehmen den Menschen körperlich anstrengende Arbeit ab. Auch Exoskelette erleichtern schwere körperliche Arbeit: Sie lassen sich beinahe wie ein Klettergeschirr anlegen und unterstützen durch Servomotoren bestimmte Arbeitsvorgänge wie beispielsweise das Heben von schweren Gegenständen. Somit werden Knochen und Muskeln der Mitarbeitenden entlastet. Mittels Virtual Reality lässt sich schon während der Entwicklungszeit abbilden, wie das Lager später einmal aussehen wird. Das umfasst auch Beispielprozesse. Auf diese Weise ist frühzeitig erkennbar, welche Prozesse schon vor der Inbetriebnahme der neuen Immobilie bedacht werden sollten – ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand.

Konzentration auf Kernkompetenzen

Aufgrund eines zunehmenden Professionalisierungsgrades in der logistischen Bewältigung des Onlinehandels spezialisieren sich Logistikdienstleister auf die Begleitung eines Onlineshops vom Aufbau bis zum digitalen Marketing. Zu den Aufgaben solcher Full-Service-Leistungen zählen das Shop-Management, Content-Management, Sortimentsüberwachung, Abrechnungsprozesse, Newsletter-Management und Kundenservices wie Hotlines oder Chats. Voraussetzung dafür ist ein intaktes IT-Ökosystem mit den relevanten Schnittstellen zum ERP-System des Kunden, damit alle Prozesse lückenlos digital abgebildet und gesteuert werden können.

Was im Lager funktioniert, lässt sich auch auf globale Lieferketten anwenden, um Kosteneffizienz zu optimieren und Risikoanfälligkeit zu minimieren. Mithilfe von Supply-Chain-Management-Systemen werden Daten entlang der Lieferkette gesammelt und in Dashboards, Grafiken und interaktiven Karten dargestellt. So werden auch kurzfristige Engpässe in den Transportketten durch ein Maximum an Flexibilität aufgefangen. Die zunehmende Digitalisierung der Logistikprozesse, das Entstehen neuer Geschäftsmodelle wie Plattformlösungen und eine wachsende digitale Unterstützung der nach wie vor physischen Prozesse tragen zu einer immer größeren Ressourceneffizienz und Transparenz bei, die sowohl für die Wirtschaft als auch die Gesellschaft Mehrwerte erzeugen.

Der stationäre und Onlinehandel kann sich also auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, da die Logistik dank starker Digitalisierung immer größere Teile des gesamten Verkaufsprozesses übernimmt: Call-Center, Lagerung, Veredelung, Verpackung, Lieferung, Retourenmanagement, Reparaturen und vieles mehr. Das ist umso wichtiger, da der Onlinehandel weiter zunehmen wird und sich die Warengeschäfte zunehmend in Markenerlebnis- und Unterhaltungszentren wandeln werden.

Autor: Frauke Heistermann, „Die Wirtschaftsmacher“

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