„Tante-Emma-Laden“ von morgen

Warum der Einzelhändler Tegut auf neue Technologien setzt

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Quelle: Björn Friedrich/Snabble/Tegut

Tegut hat vor kurzem seinen dritten unbemannten Store eröffnet, in dem Kunden individuell und selbstbestimmt einkaufen können. 

Projektmanagerin Verena Kindinger erzählt, warum das immer wichtiger wird, worauf Händler beim Einsatz neuer Technologien achten sollten und warum das Smartphone dabei wichtig ist.

Frau Kindinger, heute und vor 20 Jahren: Wie hat sich das Einkaufsverhalten der Kunden in diesem Zeitraum verändert?

Verena Kindinger: So vieles hat sich im Grunde nicht verändert. Das Einkaufsverhalten integriert sich damals wie heute immer noch in den Alltag und die Lebenswelt der Menschen und Kunden. 

Allerdings haben sich die Umstände und Bedingungen geändert, wer, wie und wann heute einkauft oder isst und kocht. Das ist sehr stark mit den gesellschaftlichen Veränderungen, Trends und dem Wandel der Arbeitswelt verknüpft. Dabei ist der Wunsch nach der gleichzeitigen, dauerhaften Verfügbarkeit und das Bedürfnis nach einem hohen individualisierten Lebensstil in unserer heutigen Gesellschaft stark ausgeprägt und drückt sich mehr denn je über unsere Ernährung und unser Konsumverhalten aus. Mehrwertthemen, wie Nachhaltigkeit und Sonderernährungen spielen eine immer stärkere Rolle bei unseren Kunden, da Essen eine starke identitätsstiftende Bedeutung eingenommen hat. 

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Hand hält Smartphone vor tegut Theo Shop
Quelle: Björn Friedrich/Snabble/Tegut

Wie zeigt sich dieses geänderte Konsumverhalten in der Handelswelt?

Dies spiegelt sich vor allen in der Entwicklung von Omnichannel-Retailing und einer starken Ausdifferenzierung unterschiedlicher Formate wider und dem Versuch, individuellen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Dieser individuelle und auch digitale Zugang lässt sich im Handel unter anderem über den Einsatz neuer Technologien steuern und ermöglicht einen flexiblen Einkauf, ungebunden, individuell und bestenfalls auch zeitsparend.

Einkaufen wird also immer digitaler?

Die Entwicklung und der Einsatz von Innovationen und neuen Tools treten immer in Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Entwicklungen, Handelstrends, Kundenbedürfnissen und der Offenheit der Kunden auf.  Es ging schon in den vergangenen Jahren weg vom „Tante-Emma-Laden“ und einem bedienten Einkauf hin zu einem Selbstmanagement des Kunden im Einkaufsprozess. Das ist allerdings nicht überraschend. Mit dem Einzug der Digitalisierung in unterschiedliche Lebensbereiche der Kunden ist es nur eine Frage der Zeit gewesen, zusätzlich zum E-Commerce auch im stationären Handel immer mehr Technologie zur Erleichterung des Einkaufs zum Einsatz zu bringen. 

Was muss man als Händler beim Einsatz neuer Technologien beachten?

Der Kunde muss den Mehrwert der eingesetzten Technologien erkennen, denn nur so wird er diese auch nutzen. 

Heute ist es vor allem wichtig, einen ungeplanten, effizienten, schnellen und einfachen Einkauf für die Kunden zu ermöglichen, welcher sie zeitlich nicht einschränkt und sie in in ihrem im Alltag flexibel und nach ihren Bedürfnissen handeln lässt. Der Mehrwert "Zeitersparnis" hat dabei die höchste Priorität. 

Technologien, die dies ermöglichen, sind dabei mehr gefragt denn je. Sie werden von Kunden als neuer Service angesehen, für den sie gerne autark und selbstständig beispielsweise den Job der Kassierer durch Self-Scanning übernehmen.

Ist die Kundschaft Ihrer Meinung nach bereit für eine Technologisierung des Handels und auch dafür ausgerüstet?

Das Smartphone als Hardware-Multi-Tool eignet sich hervorragend und steht seit Langem auch in anderen Alltagsbereichen den Kunden zur Verfügung, um frei und unabhängig den eigenen Alltag individuell und flexibel bestreiten zu können. Dies ist neben der Verwendung von Apps und weiteren Technologien zur zeitlichen Optimierung der Customer Journey somit ein Benefit für den Kunden. Auch die Offenheit gegenüber neuen Technologien ist beim Kunden gewachsen, da er bereits in anderen Bereichen seines Alltags – Stichwort: „Smart Home“ – Berührungspunkte mit ihnen hat.  

Aktuell und bedingt durch eine Umstrukturierung der Gesellschaft und des stationären Handels - auch aufgrund der Pandemie - ergeben sich verschiedene Möglichkeiten für den Einsatz von Technologien. Man bekommt die Chance, gewohntes Einkaufsverhalten aufzulösen und für den Kunden bedürfnisorientiert zu optimieren und anzupassen.

Self-Checkout-Automat
Quelle: Björn Friedrich/Snabble/Tegut

Warum haben Sie sich für die Eröffnung eines unbemannten Stores entschieden?

Tegut als „unbemannter Store“ ist ein Ergebnis einer Entwicklung zu einer schnelleren, effizienten Customer Journey, die dem Kunden beim Einkaufen als Mehrwert Zeitersparnis bringen kann. Wir wollen dem Kunden Zeit für die wichtigen und essenziellen Dinge und Bedürfnisse, wie Freizeit Job, Familie und Freunde, schenken.

Mit diesem Store-Konzept ist unabhängiges, flexibles und ungeplantes spontanes Einkaufen möglichen, da wir eine Vor-Ort-Versorgung und eine dauerhafte Verfügbarkeit anbieten können. Der Kunde entscheidet sehr autark, wie viel Zeit er für seinen Einkauf aufbringen möchte und ist nicht von anderen Faktoren wie Öffnungszeiten oder Warteschlangen an der Kasse abhängig. 

Die kundenzentrierte Entwicklung des Konzepts basiert auf dem Minimieren und Vermeiden von Kunden-Schmerzpunkten innerhalb der Customer Journey. Dies gelingt uns unter anderem durch den Einsatz von Technologie. Sie muss dabei bedarfsorientiert, sinnvoll und für den Kunden intuitiv verständlich eingesetzt werden und ihm einen offensichtlichen Mehrwert verschafft. Dies ist die Herausforderung!

Außerdem ermöglicht der Einsatz der Technik den Betrieb ohne dauerhaften Personaleinsatz. So kann der Store wiederum 24/7 geöffnet sein. Ein weiterer Vorteil des Konzepts: Standorte, an denen sich heute eventuell kein Supermarkt oder Nahversorger rentiert hätte, können mit Lebensmitteln versorgt werden.

Was ist Ihr bisheriges Fazit, seitdem der erste Store eröffnet wurde?

Der Einsatz der Technologie ist aktuell gut gewählt, da man sich nicht zu weit vom klassischen Einkaufsprozess entfernt hat. Der Kunde kann die Produkte noch vor Ort anschauen, auswählen und in die Hand nehmen. Dies ist ein großes Plus, denn so wird die emotionale Nähe zu den Produkten und Lebensmitteln zugelassen und nicht durch Technik abstrahieret, wie beispielsweise bei einer Auswahl der Produkte an einem Screen und einer automatischen Ausgabe. Der Kunde kann seine Produkte noch analog erleben und nur der Bezahlprozess sowie der Zugang zum Store finden aus Sicherheitsgründen digital statt.

Es gibt natürlich noch weitere Services und Mehrwerte für unsere Kunden: Bezeichnend ist sicherlich die bereits erwähnte Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit der Lebensmittel an Standorten mit Bedarf, aber gegebenenfalls eingeschränkter Fläche. Hinzu kommen ökologische und sozialen Vorteile, die die Einkaufsstätte wieder zu einem Treffpunkt und Aufenthaltsort machen und der Umgebung etwas zurückgeben. 

Solch ein Store erleichtert dem Kunden vieles innerhalb seiner Customer Journey, aber auch innerhalb seines Alltags. Die nachhaltige Verbindung dieser genannten Themen und der Einsatz von sinnhaft, platzierter Technologie innerhalb des Einkaufserlebnisses ermöglichen einen intuitiven, lösungsorientierten und schnellen Einkauf und machen das Konzept tegut erfolgreich.

Interview: Katja Laska

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